Chronik

Misshandlung: Acht Polizisten angeklagt

Im Jänner 2019 sollen mehrere Polizisten in einem Spiellokal in Wien-Favoriten einen Tschetschenen misshandelt haben. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Wien gegen alle acht beteiligten Beamten Anklage erhoben. Der Prozess startet kommenden Mittwoch.

Der Vorfall wurde bekannt, nachdem im Juli 2020 ein Video aus einer im Lokal angebrachten Überwachungskamera der „Kronen Zeitung“ zugespielt worden war. Auf dem Bildmaterial ist zu sehen, wie der Tschetschene von zwei Beamten geschlagen wird – ohne dass er einen sichtbaren Anlass für eine Gegenwehr der Polizisten geliefert hätte. Mehrere Kollegen der beiden stehen untätig daneben und schreiten nicht ein. Allen Beamten wird Missbrauch der Amtsgewalt vorgeworfen. Die beiden Hauptangeklagten haben sich auch wegen Körperverletzung zu verantworten.

Regressforderung von Spital brachte Fall auf

Der mutmaßliche Polizeiübergriff war polizeiintern erst im Dezember 2019 bekannt und zum Gegenstand von Erhebungen geworden, nachdem sich die Wiener Gebietskrankenkasse mit Regressforderungen für die Spitalsbehandlung des Tschetschenen an die Wiener Landespolizeidirektion gewandt hatte. Der Tschetschene selbst hatte im Krankenhaus zwar zum Zustandekommen der Verletzungen angegeben, diese wären ihm von der Polizei zugefügt worden, von sich aus aber keine Anzeige erstattet. Das Spital wiederum war nicht zu einer Anzeige verpflichtet, weil es sich um eher geringfügige, daher nicht meldepflichtige Verletzungen handelte.

Ausschnitt aus Videoaufzeichung einer Überwachungskamera
ORF/Krone
Ein den Medien zugespieltes Video ließ die Ermittlungen in eine andere Richtung laufen

Allerdings wollte nach einigen Monaten der Spitalsträger, der wusste, woher die Verletzungen stammten, die Behandlungskosten von der Polizei ersetzt bekommen. So kamen die Ermittlungen in Gang, wobei diese sich allerdings zunächst gegen den Tschetschenen richteten.

Amtshandlung nicht schriftlich dokumentiert

Die Amtshandlung, die untersucht werden sollte, war von den beteiligten Polizisten entgegen aller Vorschriften nämlich nicht schriftlich dokumentiert worden. Auf telefonische Nachfrage in der betroffenen Polizeiinspektion, ob in dem Spiellokal am fraglichen Abend etwas vorgefallen sei, hieß es, es sei nichts passiert. Das hatte zur Folge, dass die Beamten zunächst unbehelligt blieben, während die Staatsanwaltschaft gegen den Tschetschenen ein Verfahren wegen Verleumdung einleitete. Die Vernehmung der Polizisten hielt die Anklagebehörde dabei vorerst für nicht erforderlich. Sie wurden bis zum Auftauchen des Videos nicht zu dem Vorfall befragt.

Mit dem Auftauchen des Videomaterials in den Medien änderte sich alles. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verleumdungsverfahren gegen den 29-jährigen Tschetschenen umgehend ein. Die Polizisten wurden außer Dienst gestellt, strafrechtliche Ermittlungen gegen sie eingeleitet. Zwei von ihnen legt die Anklagebehörde nun auch Fälschung eines Beweismittels (Paragraf 293 StGB) zur Last, weil sie die Vorgänge in dem Lokal nicht rechtmäßig dokumentiert haben sollen. Die beiden Hauptangeklagten sind nach wie vor suspendiert.

Zeuge wird befragt

Bei der Klärung der Vorgänge dürfte zunächst schleißig ermittelt worden sein. Es gab nämlich einen unbeteiligten Zeugen, der in dem Lokal anwesend war, während der 29-Jährige geschlagen wurde. Dieser Zeuge – ein Slowake, dessen Telefonnummer der Polizei bekannt war – wurde allerdings nicht zu seinen Wahrnehmungen zeugenschaftlich vernommen.

Aufgrund der „sprachlichen Barriere“ sei mit keinen neuen Erkenntnissen zu rechnen, wurde im Ermittlungsakt nach einem kurzen Telefonat mit dem Slowaken sinngemäß festgehalten. Auf die Idee, einen Übersetzer für die slowakische Sprache beizuziehen oder den Zeugen im Rechtshilfeweg in der Slowakei einvernehmen zu lassen, kam man bei der Polizei nicht. Im Gerichtsverfahren ist der Mann nun ebenso als Zeuge geladen wie der Tschetschene.

Der Prozess ist auf drei Tage anberaumt. Die Urteile sind für 3. Juli geplant. Im Fall von Schuldsprüchen droht den Beamten der Amtsverlust, sollte das verhängte Strafausmaß ein Jahr übersteigen.