Der Große Schwurgerichtssaal im Wiener Landesgericht
APA/Helmut Fohringer
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Chronik

IS-Terrorprozess: Mirsad O. geständig

Mit einer Überraschung hat am Mittwoch der Prozess gegen fünf Angeklagte begonnen, die sich für die radikalislamistische Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) betätigt haben sollen. Der mitangeklagte einstige „Hassprediger“ Mirsad O. legte ein reumütiges Geständnis ab.

Mirsad O. alias Ebu Tejma, der bereits eine rechtskräftige 20-jährige Freiheitsstrafe verbüßt bekannte sich zum Großteil der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen schuldig. „Ich hab’ Fehler gemacht, ich geb’s zu“, gab der 39-jährige gelernte Stahlbauschlosser und spätere Islam-Gelehrte und radikale Prediger zu Protokoll.

Bezogen auf die bereits gerichtlich abgetanen strafbaren Handlungen meinte Mirsad O., seine radikalislamistischen Vorträge, deretwegen er vom Landesgericht Graz abgeurteilt wurde, seien inzwischen zehn Jahre alt und hätten ihn 2014 ins Gefängnis gebracht: „Meine Vorträge haben viel Unheil bewirkt.“ Und weiter: „Es tut mir leid, ich kann es nicht ungeschehen machen.“

Prozess gegen IS-Kämpfer

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat am Straflandesgericht der Terror-Prozess gegen fünf mutmaßliche IS-Terroristen und -Sympathisanten begonnen: Im Mittelpunkt steht ein 32jähriger Tschetschene. Als Einsatzleiter einer Kampftruppe soll er in Syrien Massentötungen angeordnet haben – was dieser vehement bestreitet.

Bestärkte Hauptangeklagten, nach Syrien zu gehen

Zur jetzigen Anklage bemerkte Mirsad O., die gegen ihn gerichteten Vorwürfe seien großteils korrekt. Er habe den Hauptangeklagten Turpal I. und einen Mitangeklagten dazu bewogen, für den IS nach Syrien zu gehen und zu kämpfen. Von den Gräueltaten, an denen Turpal I. laut Anklage dort beteiligt gewesen sein soll, habe er aber nichts gewusst. Darüber hinaus machte der 39-Jährige von seinem Schweigerecht Gebrauch. Er wolle im gegenwärtigen Zeitpunkt keine weiteren Angaben machen und keine Fragen beantworten: „Ich möchte nicht respektlos sein, aber ich habe so etwas schon alles mitgemacht.“

Sicherheitsschleuse vor dem Großen Schwurgerichtssaal
ORF
Der Prozess findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt

Sein Verteidiger hatte das unerwartete Geständnis in seinem Eingangsplädoyer angekündigt. Bei Mirsad O. laufe ein Läuterungsprozess ab, ausgelöst durch den Terroranschlag in Wien vom 2. November. Seither sei beim einstigen Prediger „ein Umdenkprozess im Gange“, erläuterte er. Mirsad O. sehe ein, dass er „in der Vergangenheit Fehler gemacht hat“.

Hauptangeklagter kam auf freiem Fuß

Nicht geständig war demgegenüber der erstangeklagte Turpal I., der zuletzt für Schlagzeilen gesorgt hatte, weil er nach Ablauf der auf zwei Jahre begrenzten U-Haft Anfang Mai enthaftet werden musste. Er erschien daher auf freiem Fuß zur heutigen Verhandlung. Der 32-Jährige wird dem Vernehmen nach vom Verfassungsschutz rund um die Uhr überwacht.

Der gebürtige Tschetschene soll Ende August 2013 über die Türkei nach Syrien gereist sein und unter dem Kampfnamen Abu Aische im Bürgerkrieg für den IS gegen das Assad-Regime gekämpft haben. In der nordsyrischen Stadt Hraytan soll Turpal I. die Erschießung von Bewohnern eines Hochhauses sowie drei als Sklavinnen gefangen genommener Frauen angeordnet haben, in einer Kleinstadt nördlich von Aleppo soll er laut Anklage zumindest sieben Schiiten mit Messern die Köpfe abschneiden haben lassen.

Vorwürfe zurückgewiesen

Sein Verteidiger wies das zurück. Turpal I. habe sich zwar drei Mal in Syrien aufgehalten, sei aber an keinen terroristischen Straftaten beteiligt gewesen. „Es gibt kein Beweismittel, das das belegen würde“, sagte er. Turpal I. kenne die in der Anklageschrift genannten Orte, an denen Gräueltaten stattgefunden haben sollen, nicht, er kenne auch angeblich dafür mit- bzw. verantwortliche Personen nicht. Turpal I. sei nicht mit der Person ident, die im Akt als Abu Aische vorkomme. „Gehen Sie der Staatsanwaltschaft nicht auf den Leim!“, appellierte der Verteidiger an die Geschworenen.

Turpal I. habe sich in Syrien keiner bewaffneten Gruppe angeschlossen und nicht – wie inkriminiert – bis zu 70 Kämpfer angeführt und Massaker angeordnet. Vielmehr habe er aufklären wollen, ob und wo sein Schwager, der in Syrien gekämpft haben dürfte und dabei gefallen sein soll, sein Leben verlor und begraben wurde. Turpal I. sei „kein radikalislamistisches Gedankengut anlastbar“, betonte der Verteidiger abschließend.

Verhandlung unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen

Die bis Ende Juli anberaumte Verhandlung wird unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen abgewickelt. Zuhörer wurden zwei Mal – zum einen beim Betreten des Gerichts, ein zweites Mal in Form einer mobilen Sicherheitsschleuse vor dem Großen Schwurgerichtssaal – kontrolliert, zehn bewaffnete und maskierte Spezialkräfte der Justizwache postierten sich im Saal, in dem ein absolutes Fotografier- und Filmverbot gilt, mehrere Beamte vom Verfassungsschutz sind für das Verfahren abgestellt.

Mitangeklagt sind neben Mirsad O. alias Ebu Tejma ein 32-jähriger, mit knapp 18 zum Islam konvertierter Steirer und Ex-Profi-Boxer, der sich laut Anklage nach der Übersiedlung nach Wien radikalisiert und 2013 in Syrien vom IS zum Kämpfer ausbilden ließ, dessen Ehefrau und die Ex-Frau von Turpal I., die sich von diesem inzwischen getrennt hat. Der Staatsanwalt hatte auch die Eltern von Turpal I. wegen terroristischer Vereinigung angeklagt. Der Vater ist allerdings im vergangenen Dezember verstorben, die Mutter dürfte untergetaucht sein – der Staatsanwalt beantragte eine Festnahmeanordnung und die Erlassung eines Europäischen Haftbefehls, um ihrer habhaft zu werden.

Anklage sieht „Radikalislamistische Umtriebe“

Der Staatsanwalt hatte zu Beginn der Verhandlung in einem fast zweistündigen Eröffnungsvortrag seine Anklage dargelegt, deren schriftliche Ausfertigung 200 Seiten umfasst. Es gehe „um radikalislamistische Umtriebe, nicht um Religion“, betonte er. Turpal I. habe sich in Syrien Kampfeinheiten des IS angeschlossen, die „Massenmord“ zu verantworten und „Hinrichtungen“ unter Zivilisten durchgeführt hätten, meinte der Staatsanwalt. Die Zivilisten wären nach Geschlechtern separiert, Männer enthauptet, Frauen erstochen worden.