Patrick Budgen im Studio mit Michael Havel, Lifebrain
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Coronavirus

PCR-Tests: „Hoher Bedarf im Herbst“

Der Mediziner und „Alles gurgelt“-Laborbetreiber Michael Havel rechnet mit einer vierten Welle und einem hohen Bedarf an PCR-Tests im Herbst. Zu sagen, die Pandemie sei mehr oder weniger vorbei, sei „fahrlässig“, kritisierte er die CoV-Politik der Regierung.

Der Mediziner betreibt in Penzing das größte Covid-19-Labor des Landes, die Firma Lifebrain, und wickelt für die Stadt das Projekt „Alles gurgelt“ ab. In Österreichs größtem Covid-19-PCR-Labor können bis zu 400.000 Proben täglich ausgewertet werden – rund um die Uhr. Havel zeigte sich im Interview mit Patrick Budgen am Samstagabend „überzeugt und das sagen auch alle Fachleute, dass diese Pandemie nicht verschwunden ist. Die Varianten werden immer aggressiver weil durch die Impfung ein gewisser Selektionsdruck entsteht“.

Lifebrain-Chef im Interview

„Wir glauben, dass das noch mehr als ein Jahr dauern wird, bis die Durchimpfung so hoch ist, dass dieses Testangebot zurückgefahren werden kann, wir gehen davon aus, dass im Herbst ein sehr hoher Bedarf besteht. Ich rechne im Herbst mit einer viertel Welle“, so der Laborbetreiber. Die Kapazitäten in seinem Labor sollen ausgebaut werden, um bald 500.000 Tests pro Tag auswerten zu können.

Kritik an Bundespolitik: „Fahrlässig“

Kritik äußerte der Mediziner konkret an Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seiner CoV-Politik. "Man geht da in einer fahrlässigen Art und Weise mit der Gesundheit der Bevölkerung um. Ich hätte das niemals gemacht, dass man ohne Maske alles machen kann und alle Clubs öffnet. Wenn ich schaue, was sich bei der EM abspielt, krieg ich Schüttelfrost.“

Kurz will unterdessen verstärkt auf die Eigenverantwortung der Bevölkerung setzen, wie er am Samstag sagte. „Der Staat hat die letzten eineinhalb Jahre massiv in das Leben jedes Einzelnen eingegriffen, er muss sich jetzt wieder auf seine Kernaufgaben zurückziehen“, sagte er im Gespräch mit den Bundesländer-Zeitungen (Samstag-Ausgaben). „Die Krise redimensioniert sich. Sie wandelt sich von einer akuten gesamtgesellschaftlichen Herausforderung zu einem individuellen medizinischen Problem“, das jeden betreffe, der nicht geimpft sei, so Kurz wörtlich.

„Investment in fünf Jahren zurückverdient“

Derzeit liege der Anteil der Delta-Variante bei den Gurgeltests schon bei zwei Drittel, so Havel. „Wir bieten die Sequenzierungen jetzt auch kostenlos drei Monate für die Bundesländer an. Das Angebot wird schon angenommen, wir beginnen ein Pilotprojekt in Oberösterreich auszurollen. So werden wir das Bundesland für Bundesland anbieten.“

Die tatsächliche tägliche Laborauswertung liegt bei maximal 70.000 Proben und damit weit unter der Kapazitätsgrenze von 400.000 Proben täglich. Derzeit, in den Ferien, seien es überhaupt nur 40.000 bis 50.000 Einsendungen pro Tag, so Havel. Aber man sei nach Wien zurückgekommen, weil ein großer Mangel bei der Auswertung von PCR-Tests bestand.

Lifebrain-Mitarbeiter hantieren mit „Gurgel-Tests“ am Freitag, 26. März 2021, im Rahmen der Eröffnung des neuen Lifebrain Logistik- und Laborzentrums „Alles gurgelt“ auf der Baumgartner Höhe in Wien
APA/Herbert Neubauer
Derzeit werden im Lifebrain-Labor 40.000 bis 50.000 Einsendungen täglich ausgewertet, 400.000 wären möglich.

Investiert wurde viel: rund 40 Mio. Euro. „Wir gehen nicht davon aus, dass wir das kurzfristig zurückverdienen wollen. Wir wollten einfach in dieser Pandemie mithelfen.“ Laut Havel geht es sich kalkuliert auf fünf Jahre aus, dass man das Investment zurückverdient hat. Man sei jedenfalls gekommen, um in Wien zu bleiben, auch wenn die Pandemie nicht so lange bleiben werde. Danach soll es andere Testmöglichkeiten geben.

Klage im Raum

Der heute 67-jährige Wiener war lange Jahre Herzchirurg im AKH, bis er beruflich umsattelte. Er gründete mit Investoren die Laborgruppe Futurelab, verkaufte sie mit Gewinn und stieg mit seiner jetzigen Firma Lifebrain in den italienischen Markt ein, wo er Hunderte Labors beetreibt. Ende 2020 sperrte er schließlich das Riesenlabor in Penzing auf.

Der Jahresumsatz seiner Betriebe beträgt rund 300 Millionen Euro. Weil laut Ärztekammer eine nötige Zulassung für die Labortätigkeit in Österreich fehlt, klagte sie den Betreiber. Ein Urteil soll in den nächsten Wochen schriflich ergehen.