Wissenschaft

Wien Museum sucht Postkartenleser

Mit einem Crowdsourcing-Projekt will das Wien Museum seine Postkartensammlung erschließen. Konkret werden ehrenamtliche Helferinnen und Helfer gesucht, die historische Ansichtskartentexte transkribieren und teils auch übersetzen.

Laut Wien Museum gibt rund 2.000 topografische Ansichtskarten, die eine persönliche Botschaft aufweisen. 250 davon sind nicht auf Deutsch verfasst, sondern auf Tschechisch, Englisch, Französisch, Ungarisch, Slowakisch, Kroatisch, Slowenisch und Niederländisch. Der Bestand umfasst den Zeitraum von ca. 1885 bis in die jüngere Vergangenheit.

„Mit allen erzählenden Eigenschaften“

Lange Zeit seien in der Forschung die Mitteilungen der Absender und Absenderinnen auf Postkarten kaum oder nur im Fall von berühmten Persönlichkeiten beachtet worden, heißt es in einer Aussendung des Wien Museums. Nun sollen die Ansichtskarten als „Objekte in ihrer Gesamtheit mit allen erzählenden Eigenschaften erschlossen werden – ohne Reduktion auf das abgebildete Motiv oder das Druckverfahren“.

Dicht beschriebene alte Postkarte mit dem Stephansdom als Motiv
Wien Museum
Auch die Postkartentexte sollen genau unter die Lupe genommen werden

Ergänzend zur Bildseite werden also auch die Adress- und Mitteilungsseite, der Textinhalt, der Postweg und die Nutzungsweise erfasst.

Historisch wertvolle Angaben

Die Mitteilungen bestehen manchmal nur aus einfachen touristischen Formeln wie „Herzliche Grüße aus Wien“. Häufig enthalten sie aber auch historisch wertvolle Angaben darüber, aus welchem Anlass man die Ansichtskarten verschickte, welche Stadtansichten und Orte man attraktiv fand, oder schlicht, wie man miteinander im Alltag kommunizierte.

Das Projekt ist auf ein Jahr angelegt, wobei die Textbeiträge durch die Aufnahme in die Museumsdatenbank langfristig gesichert und in einem weiteren Schritt auch online zugänglich gemacht werden sollen. Eine Ausstellung zu den Ergebnissen ist schließlich für 2023 geplant.

„Betreten Neuland“

„Mit dieser Aktion betreten wir definitiv Neuland“, sagte Wien-Museum-Direktor Matti Bunzl. „Nachdem wir bereits über 60.000 Objekte in unserer Onlinesammlung der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt haben, treten wir mit dem Postkartenprojekt in einen noch direkteren Austausch mit dem Publikum. Es ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Demokratisierung der Institution Museum."

Wie man mitmachen kann

Unter Crowdsourcing Wien Museum stehen alle beschriebenen Karten für die Transkription zur Verfügung. Sie können nach Zeit, Sprache und Status (unbearbeitet, bearbeitet) gefiltert werden. Nach dem Registrieren mit E-Mail-Adresse kann jede und jeder sofort loslegen, die Texte und Textbausteine auf einer Karte zu entziffern, abzutippen und gegebenenfalls zu übersetzen.

Angefangene Karten können später – auch von anderen Mitarbeitenden – weiter transkribiert oder verbessert werden. Gemeinsam soll so durch die Gruppe „ein wichtiger Textkorpus zur wissenschaftlichen Erforschung“ entstehen. Die Leitung des Postkartenprojekts übernahm Evi Scheller, die auch für die Onlinesammlung verantwortlich zeichnet. Von kuratorischer Seite ist Sandor Bekesi im Projektteam. Die gestalterische Umsetzung übernahm die Agentur bleed.