Teilnehmerinnen bei einem Kurs
Christine Miess
Christine Miess
Soziales

Gehörlose bei Berufswahl eingeschränkt

Erstmals erhalten in Österreich fünf Frauen mit einer Gehörbehinderung ein Diplom für Familienarbeit, Pflegeassistenz und Freizeitpädagogik. Das Schulungszentrum equalizent hat sich zur Aufgabe gemacht, neue Berufsfelder für Gehörlose zu erschließen.

Während hörende Menschen aus einer großen Auswahl von Ausbildungen wählen können, sind Gehörlose in ihrer Berufswahl stark eingeschränkt. Denn Ausbildungen in Lautsprache sind für sie nicht barrierefrei und daher keine Option. Bei einigen Berufen gab und gibt es gesetzliche Einschränkungen, die Gehörlosen die Ausübung untersagten beziehungsweise untersagen.

Monika Haider, Geschäftsführerin des Schulungsinstituts für Gehörlose equalizent, will, dass sich in der Berufswelt diesbezüglich etwas ändert. „Warum sollen Gehörlose nicht auch verantwortungsvolle, interessante Berufe erlernen dürfen? Berufe, die sie erfüllen und als Menschen weiterbringen?“ Bereits 2018 schlossen erstmals sechs gehörlose Kindergartenassistenzpädagoginnen und Pädagogen. Sie arbeiten seitdem fix in Kindergärten zur Zufriedenheit aller Beteiligten.

Drei neue Berufsfelder

Nach dem Abschluss der Kindergartenassistenzpädagoginnen und -pädagogen starteten die Ausbildungen für drei neue Berufsfelder für Gehörlose. Dazu zählen die Ausbildungen in der Freizeitpädagogik, Familienarbeit und der Pflegeassistenz. Dafür bietet equalizent einen Vorbereitungslehrgang für die Aufnahmeprüfungen der jeweiligen Ausbildungen in Österreichischer Gebärdensprache an.

Anschließend startet die eigentliche Ausbildung, bei der die Frauen begleitet werden, zum Beispiel im Caritas Ausbildungszentrum Seegasse. Dabei bekommen sie Nachhilfe, Unterstützung für die Prüfungsvorbereitungen und Dolmetscherinnen beziehungsweise Dolmetscher. Finanziert wird die Ausbildungsunterstützung vom Sozialministeriumservice Wien und dem Arbeitsmarktservice.

Andrea Ramovic als Pflegeassistentin
equalizent
Andrea Ramovic in ihrem neuen Beruf als Pflegeassistentin

Gebärdensprache bringt Vorteile

Die gehörlosen Auszubildenden dürfen ihre Prüfungen in Gebärdensprache abhalten, da das Schriftdeutsch für sie eine Fremdsprache ist. Laura Majoros-Mongyi, die nun ihre Ausbildung für Diplomsozialbetreuung Familienarbeit abgeschlossen hat, erzählt vom anfangs holprigen Weg: „Vor allem zu Beginn war alles sehr kompliziert für mich und die Anforderungen waren enorm. Die Schule war sehr bemüht, hatte aber keine Erfahrungen mit gehörlosen Personen.“

Es zeigte sich, dass speziell bei Menschen mit Autismusspektrumsstörung oder Demenz Gebärdensprache sogar sehr hilfreich ist. Majoros-Mongyi erlebte, wie ein Bub mit selektivem Mutismus durch Gebärden einen Weg fand, mit seinem Umfeld zu kommunizieren. Außerdem schätzen insbesondere ältere Menschen die große Ruhe, die von den gehörlosen Frauen ausging. Dass Gehörlose aufgrund ihrer visuellen Stärke rasch veränderte Gemütszustände wahrnehmen, erweist sich laut equalizent als weiterer Pluspunkt für Familien und Menschen in Pflegeinstitutionen.

Mehr gehörlose Vorbilder

Laut Haider haben Menschen mit einer Hörbehinderung kaum gehörlose Vorbilder, denn 90 Prozent von ihnen wachsen in hörenden Familien auf. „Aber jetzt gibt es auf ihrem Bildungsweg bereits gehörlose Vorbilder im Kindergarten, an Schulen und in der Freizeitbetreuung.“