Komplexitätsforscher Peter Klimek von der MedUni Wien
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Coronavirus

Forscher rechnet mit Verschärfungen

Der Komplexitätsforscher Peter Klimek rechnet mit Verschärfungen der CoV-Maßnahmen. Er appelliert dafür, jetzt milde Maßnahmen zu setzen, um einen ruhigeren Herbst und Winter zu erleben. Klar ist aber auch: Die Infektionszahlen werden weiter steigen.

„Es gibt nichts am Horizont, das darauf hindeutet, dass sich dieser wachsende Trend in nächster Zeit umkehren könnte“, sagte Klimek im „Wien heute“-Interview. Anfang Juli sind täglich im Durchschnitt zwischen 40 und 50 Coronavirus-Infektionen nachgewiesen worden, aktuell sind es bis zu 130 pro Tag. Trotzdem soll am Donnerstag der nächste Öffnungsschritt folgen, die Maskenpflicht etwa mit einigen wenigen Ausnahmen fallen.

Impfrate noch zu niedrig

„Wenn wir jetzt anschauen, wie viel haben wir auf den Intensivstationen an betreuten Patienten, dann ist natürlich momentan die Lage weit weg von kritisch.“ Dementsprechend sind momentan allzu strenge Regeln schwer vertretbar, meint Klimek. Er fordert in Hinblick auf den Herbst aber zumindest milde Maßnahmen. „Aus dem einfachen Grund, weil wir spätestens dann wieder mit mehr Dynamik rechnen müssen, die unser Gesundheitssystem nochmal vor Herausforderungen stellen kann, wenn wir überhaupt nichts tun.“

Damit könne man dann im Herbst später mit strikteren Maßnahmen ansetzen. Die Impfung wird noch länger nicht als Schutz für die gesamte Bevölkerung ausreichen. „Um diesen Virus mit der Impfung allein zu kontrollieren, schätzen wir, dass mindestens 85 Prozent der Gesamtbevölkerung geimpft werden müssen. Da sind wir weit davon entfernt“, so der Komplexitätsforscher. Daher müsse mit einem Mix an Maßnahmen gearbeitet werden.

Schulschließungen unrealistisch

Neben der Impfung wären etwa das Tragen von Masken und regelmäßiges Testen wichtige Schritte. Noch müsse man aber keine Schließungen oder Ausgangssperren andenken, meint Klimek. Mit Schulschließungen rechnet er nicht. „Mit dem Testregime, das wir jetzt aufgebaut haben, sehe ich wenig Anlass zur Sorge, die Schulen schließen zu müssen.“ Er geht davon aus, dass man mit den Maßnahmen, die im Mai und Juni gegolten haben, durch den Herbst und Winter kommen kann.

Dafür muss aber eine Durchimpfungsrate von mindestens 70 Prozent der Gesamtbevölkerung erreicht werden. „Für jeden, dem die Maßnahmen jetzt zum Hals raushängen, gibt es keine bessere billigeren Ausweg als dieses immer niederschwelliger werdende Impfangebot wahrzunehmen.“

Anstieg in Niederlanden: „Ausnahme“

Den explosionsartigen Anstieg der Infektionszahlen, wie er derzeit in den Niederlanden zu sehen ist, kann sich Klimek nicht erklären. „Das hätte kaum jemand für möglich gehalten, dass wir das in dieser Phase in der Pandemie nochmal erleben. Man muss aber auch sagen, dass es bis jetzt die Ausnahme geblieben ist“, so der Forscher, der davon ausgeht, dass Superspreader-Events in der Nachtgastronomie dazu geführt haben.