Chronik

Kritik an langen Verfahren für Aufenthaltstitel

Bei der Volksanwaltschaft häufen sich die Beschwerden über die MA 35, die in Wien für Aufenthaltsbewilligungen zuständig ist. Akten bleiben demnach zum Teil Monate liegen. Mehr als 400 Beschwerden gibt es schon, fast doppelt so viele wie im Vorjahr.

Eine Betroffene ist die Serbin Jovana M., die seit sieben Jahren in Österreich lebt und mit einem Bulgaren verheiratet ist, der in Wien arbeitet. Im Dezember 2019 stellte die zweifache Mutter bei der MA 35 einen Antrag auf Verlängerung ihres Aufenthaltstitels. Sie habe eineinhalb Jahre keine Antwort erhalten, erzählt sie im Interview mit Ö1.

Das Problem: Ohne Aufenthaltstitel habe sie auch keine Familienbeihilfe und kein Kindergeld erhalten, berichtet die Frau. Auch reisen konnte Jovana M. dadurch nicht – etwa um ihrem krebskranken Vater in Serbien zu besuchen. Erst nach dem Einschalten der Volksanwaltschaft und den Ö1-Recherchen zu dem Fall erhielt die Frau die verlängerte Aufenthaltsbewilligung.

Dokumente müssen mehrmals vorgelegt werden

Bei der Volksanwaltschaft gingen heuer bereits an die 430 ähnliche Beschwerdefälle über die MA 35 ein – während es aus anderen Bundesländern kaum Beschwerden gibt. „Es passiert offensichtlich, dass Akten liegen bleiben, ohne dass durch Monate jemand hineinschaut“, kritisiert der freiheitliche Volksanwalt Walter Rosenkranz „Bis zu zwei Jahre war glaub ich der Höchstwert, wo mit dem Akt, außer dass er Staub angesetzt hat, gar nichts passiert ist.“

Wegen der langen Verfahrensdauer müssten Betroffene zum Teil Dokumente mehrmals vorlegen, berichtet Rosenkranz, weil diese dann schon nicht mehr aktuell seien, etwa eine Strafregisterauskunft. „Das wird als Sekkierei verstanden, und ich verstehe das auch.“

Viele Anträge laut MA 35 nicht vollständig

Bei der Stadt Wien argumentiert man, man müsse 150.000 Verfahren im Jahr bewältigen. Als Hauptgrund für den massiven Anstieg der Beschwerden nennt der seit November zuständige Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS) die Coronavirus-Maßnahmen. Persönliche Termine bei der Behörde waren nicht möglich, alles lief per E-Mail und Post.

Sehr viele der schriftlichen Anträge seien nicht vollständig gewesen, erklärt der Leiter der MA35, Georg Hufgard-Leitner, im Ö1-Interview. Man habe dadurch oft erst umständlich Dokumente nachfordern müssen. „Bei allen Einwanderungsfällen sind wir nach wie vor, trotz dieser schwierigen Situation, unter zwei Monaten durchschnittlicher Verfahrensdauer. Darauf können wir eigentlich sehr stolz sein“, betont Hufgard-Leitner.

Wiederkehr kündigt mehr Personal an

Sehr oft würden sich die Beschwerden auch eigentlich an die Rechtslage richten – und nicht an die Arbeit der MA 35, so der Behördenleiter. Zudem könne man Wien nicht mit den anderen Bundesländern vergleichen. Wien sei beispielsweise für viele Fälle zuständig, für die die anderen Bundesländer nicht zuständig seien – etwa die Staatsbürgerschaften für die Nachfahren von NS-Opfern, betont Hufgard-Leitner. Allein dabei handle es sich um mehr als 14.000 zusätzliche Verfahren seit September des Vorjahres.

Wiederkehr kündigt gegenüber Ö1 Änderungen an: „Wir haben ein telefonisches Servicecenter, das wir jetzt gerade einrichten, und stocken das Personal um zehn Prozent auf – mit dem Ziel, die Behörde zu einer serviceorientierten Stelle weiterzuentwickeln.“ Laut Betroffenen wie Jovana M. war es bisher teilweise über Monate hinweg nicht möglich, bei der MA 35 jemanden Zuständigen telefonisch zu erreichen.