Michael Musalek
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Chronik

Musalek: Pandemie erhöht Reizbarkeit

Die Corona-Pandemie wird für immer mehr Menschen in Österreich zu einer größeren Belastung. Das hat eine Studie der Sigmund Freud Privatuniversität ergeben. Lektor Michael Musalek sprach sich dennoch gegen eine Impfpflicht für alle aus.

Der ehemalige Direktor des Anton-Proksch-Instituts legte in „Wien heute“ dar, dass laut der Studie rund ein Drittel der Menschen in Österreich unter psychischen Problemen leide. Überfordert von der Corona-Pandemie seien aber wesentlich mehr. Das würde ein ganz bestimmter Indikator zeigen, nämlich die Reizbarkeit der Menschen, so Musalek: „Man reagiert aggressiv auf Reize, auf die man üblicherweise nicht aggressiv reagieren würde.“ Das sei mittlerweile bei jedem zweiten festzustellen. Vor einem Jahr lag dieser Wert noch bei jedem dritten. Musalek zog daraus den Schluss, dass die Überforderung der Menschen größer werde, je länger die Krise dauere.

Als einen möglichen Ausweg daraus schlug Musalek vor, zur Kenntnis zu nehmen, wie es ist. Die meisten Menschen würden ihre erhöhte Reizbarkeit negieren, doch Reizbarkeit sei ansteckend, breite sich also aus. Gegenmittel sei also, sich dessen bewusst zu werden und die Situation eben anzunehmen wie sie sei und „zweitens das Leben mit so viel Schönem anzureichern, dass man genug Kraft findet, auch mit Überforderung fertig zu werden“.

Impfpflicht nur in bestimmten Bereichen

Dass junge Frauen gegenüber einer Corona-Impfung skeptischer gegenüberstehen als Männer, sieht Musalek möglicherweise in der Angst vor Unfruchtbarkeit begründet. Hier sei einfach mehr Aufklärung nötig, „dass das damit nichts zu tun hat“. Eine Impfpflicht in der gesamten Bevölkerung umzusetzen „wird es einfach nicht geben, da würde es so große Widerstände geben, dass wir in eine Spaltung kämen“. In bestimmten Berufsgruppen aber sei das schon ein Thema, das man sehr diskutieren müsse. Denn etwa im Bereich der Medizin gehe es ja nicht nur um den eigenen Schutz, sondern um den Schutz derer, die einem überantwortet würden – das sei eine ganz andere Situation.

Neue Sicht auf Sucht

Als Leiter des Anton-Proksch-Instituts konnte Musalek vor seiner Pensionierung über die Jahre hinweg zahlreiche Veränderungen erkennen. Die Sucht nach Alkohol oder Nikotin seien immer in andere Krankheiten eingebettet. Daher müsse immer der gesamte Mensch im Fokus stehen, dann erst könne auf Details eingegangen werden, um eine Nachhaltigkeit der Therapie erreichen zu können. Heute gebe es ein besseres Bewusstsein hinsichtlich der Alkoholkrankheit, die früher hoch tabuisiert gewesen sei. So habe man etwa früher kaum über Alkohol am Steuer gesprochen. Heute hingegen sei es verpönt, alkoholisiert Auto zu fahren.