Chronik

OGH: CoV-Isolation für Demenzkranke rechtswidrig

Eine betagte und demenzkranke Wienerin hat in einem Spital eine zehntägige CoV-Isolation in einem Einzelzimmer verbringen müssen. Das war rechtswidrig, entschied nun der Oberste Gerichtshof (OGH). Denn die Frau war mehrfach negativ getestet worden.

Die Frau musste im April 2020 zur Nachbetreuung in das Spital, weil sie zu Hause gestürzt war und sich dabei eine Schienbeinkopffraktur zugezogen hatte. Dabei durfte sie zehn Tage lang ihr Einzelzimmer nicht verlassen. Pflegekräfte bemerkten, dass sich die Frau damit schwertat und Nähe gebraucht hätte und wünschte. Alsbald zeigten sich bei ihr – wie der OGH in seiner Entscheidung betont (7 Ob 59/21h) – durchgehend dokumentierte Gefühle von Einsamkeit, Angst, agitiertes Verhalten wie Schreien und eine sichtliche Zunahme von Schmerzen.

Drei negative CoV-Tests

Die Frau war bereits im Spital, in dem ihre Verletzung zuerst behandelt wurde, zweimal negativ auf das Coronavirus getestet worden. Ein dritter Test unmittelbar vor ihrer Aufnahme in dem mit der weiteren Betreuung befassten Krankenanstalt fiel ebenfalls negativ aus. Dessen ungeachtet sahen die internen Bestimmungen bei Neuaufnahmen eine mindestens zehntägige Screening-Isolation vor. Erst nach Ablauf von acht Tagen hatte eine neue Testung auf das Virus zu erfolgen.

Das wurde bei der Patientin, die an Demenz und Parkinson leidet, durchgezogen. Dabei lauteten die damaligen Empfehlungen des Gesundheitsministeriums zum Umgang mit den Covid-19-Schutzmaßnahmen in Pflege- und Betreuungsverhältnissen, dass bei Verdachtsfällen bei Vorliegen eines negativen Testergebnisses die Isolationsmaßnahmen aufgehoben werden können.

Betreuender Verein zog vor Gericht

Die Isolierung der demenzkranken Frau wurde dem Verein, der sie betreut, zunächst nicht gemeldet. Als dieser davon Kenntnis erlangte, ließ er die vom 8. bis zum 18. Mai vorgenommene Freiheitsbeschränkung gerichtlich überprüfen. Der Verein verwies auf den Umstand, dass die Betroffene dreimal negativ getestet worden war, außerdem sei die der Frau unterstellte Eigen- und Fremdgefährdung nicht entsprechend dokumentiert worden.

Bereits das Erstgericht sprach aus, dass das Isolieren der Frau nicht zulässig war. Eine Fremdgefährdung anderer Personen durch die Bewohnerin wegen einer möglichen Ansteckung mit Covid-19 sei nicht vorgelegen, auch einen etwaigen Zusammenhang zwischen ihrer psychischen Erkrankung und einer CoV-Gefährdungslage habe es nicht gegeben.

Das Rekursgericht legte noch eins drauf: Die Isolation sei schon deshalb rechtswidrig gewesen, weil keinerlei Dokumentation zum Grund der Freiheitsbeschränkung erfolgt sei. Dieser „gravierende Dokumentationsmangel“ könne auch nicht mehr nachträglich durch Aussagen oder Gutachten beseitigt werden. Ein aussagekräftiger Grund für die Freiheitsbeschränkung sei auch nicht aus anderen Urkunden objektivierbar. Die Freiheitsbeschränkung sei daher „schon wegen des Fehlens dieser formellen Voraussetzung in ihrer Gesamtheit unzulässig“.

„Freiheitsbeschränkung materiell unzulässig“

Die Leitung der Krankenanstalt gab sich damit nicht zufrieden, sie meldete gegen diese gerichtlichen Feststellungen einen außerordentlichen Revisionsrekurs an und ging somit bis zum OGH. Auch dort blitzte man ab. Der OGH verwies auf eine Bestimmung des Heimaufenthaltsgesetzes, der zufolge eine Freiheitsbeschränkung nur dann zulässig ist, wenn entweder das Leben oder die Gesundheit des Bewohners oder das Leben oder die Gesundheit anderer Personen gefährdet ist.

Darüber hinaus muss ein kausaler Zusammenhang zwischen der psychischen Krankheit bzw. geistigen Behinderung und der Gefährdung von Leben oder Gesundheit bestehen. Im konkreten Fall gab es aber laut OGH „keine Indizien dafür, dass von der Bewohnerin eine über die von jedem Menschen ausgehende Gefahr der Ansteckung mit Covid-19 ausging. Auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der psychischen Erkrankung der Bewohnerin und dem Risiko anderer Bewohner, von ihr mit Covid-19 infiziert zu werden, bestand nicht.“

Fazit des Höchstgerichts: „Somit war die Freiheitsbeschränkung der Bewohnerin von 8. bis 18. Mai 2020 materiell unzulässig.“ Daran ändere auch eine interne Richtlinie der Einrichtung, die nicht auf die konkreten Umstände abstellt, nichts.