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Coronavirus

Impfpflicht in Spital und Schule gefordert

Der Chefarzt der Psychosozialen Dienste (PSD) in Wien, Georg Psota, hat sich am Freitag im „Wien heute“-Interview entschieden für eine Impfpflicht im Gesundheits- und Sozialbereich, aber auch in der Pädagogik ausgesprochen. „Es muss einmal einer so deutlich sagen.“

„Wir brauchen mit Sicherheit ein durchgeimpftes und sicheres Gesundheits- und Sozialbereichspersonal und wir brauchen das Gleiche in den Schulen, in den Kindergärten, an den Unis, das ist ja keine Frage“, so Psota. Die überwiegende Mehrzahl seiner medizinischen Kolleginnen und Kollegen sehe es so, dass eine Impfpflicht im Gesundheits- und Sozialbereich zu veranlassen sei. „Es muss einmal einer so deutlich sagen.“ Er sei kein Politiker und brauche keine Rücksicht auf Umfragewerte oder ähnliches nehmen.

„Sind am Beginn der vierten Welle“

„Eine Pandemie ist vorbei, wenn es die WHO (Weltgesundheitsorganisation, Anm.) festlegt, und nicht, wenn man es sich einfach wünscht. In dieser Dialektik, in diesem Hin und Her zwischen dem, was wir uns wünschen und dem, was aber Wirklichkeit ist, in dem schwanken wir ein Stück weit hin und her“, so Psota. Das werde durch manche Aussagen von Politikern, dass die Pandemie – bald – vorbei sei, dass, wer geimpft werde, Normalität bekomme, bestärkt.

Psychiater Georg Psota über die Folgen der Pandemie

Psychiater Georg Psota ist zu Gast im „Wien heute“-Studio und spricht über die psychischen Folgen der Corona-Pandemie.

Man müsse erkennen, was wirklich vorliege, um aus etwas herauszukommen, müsse man einmal wissen, dass man drinnen sei. „Und es ist so, dass wir am Beginn der vierten Welle sind.“ Das überrasche jetzt viele aus medizinischen Kreisen nicht. „Es ist eher überraschend, dass es so viel Überraschung damit gibt.“

„Viren verhandeln mit uns nicht“

„Viren verhandeln mit uns nicht.“ Wir könnten nur handeln – „das heißt, sich wirklich exzellent vorbereiten und aus dieser vierten Welle so gut und unbeschadet wie möglich herauskommen“. Handeln heiße auch sich schützen, testen und „natürlich auch, die Impfung in Anspruch nehmen und sich selbst damit schützen und auch andere“.

„Machen wir doch zuerst einmal eine Pflichtveranstaltung und schauen dann, wie sich das dann in den Bereichen weiter entwickelt", antwortete Psota auf die Frage nach dem Umgang mit Impfskeptikern.“ Natürlich werde es notwendig sein, Menschen weiter zu beraten – „aber mit einer wirklich klaren Haltung“.

Hoher Beratungsbedarf „wie es noch kaum je war“

Die Sorge und Ungewissheit über eine bevorstehende vierte CoV-Welle im Herbst schlägt derzeit auf die psychische Gesundheit vieler Menschen, so wie die Pandemie insgesamt eine große pychologische Belastung für Jung und Alt bedeutet.

Im psychozialen Dienst sei der Bedarf an Beratung nie abgeebt, in der CoV-Sorgenhotline habe es zwischenzeitlich eine Abnahme, jetzt wieder eine Zunahme gegeben, so Psota. „Aber im Kerngebiet des Psychosozialen-Psychiatrischen ist das seit über einem Jahr auf einem Niveau wie es noch kaum je war.“ Wien sei aber vergleichsweise gut versorgt. Da habe man mit mehreren Anlaufstellen „ein gutes Angebot.“

CoV-Pandemie: Neue Kampagne für mentale Gesundheit

Die Corona-Pandemie hat auch Auswirkungen auf die Psyche, wie Umfragen zeigen. Die Österreichischen Gesundheitskassen starten nun mit einer Kampagne, die Junge dazu aufruft, sich Hilfe zu holen.

„Große Verunsicherung“ vor dem Herbst

„Es war eine Zeit lang ein bisschen ruhig. Und jetzt kommt der Herbst und niemand weiß, wie der Herbst wird. Es gibt eine große Verunsicherung, was kommt auf uns zu“, berichtete Antonia Keßelring, Leiterin der Telefonseelsorge Wien, aus dem Arbeitsalltag gegenüber „Wien heute“. Manchen sei es in der Pandemiezeit wegen der Einsamkeit nicht gut gegangen, anderen fehlte die Tagesstruktur. Familien waren dabei überfordert, den Alltag unter einen Hut zu bringen.

„Die Kinder haben nur mehr Zeit mit dem Handy verbracht. (…) Und dieses sich Vergleichen, ‚Ich bin nicht gut genug, allen anderen auf Social Media geht es besser als mir‘, das hat die Psyche der Kinder fertig gemacht“, sagte Berater und Buchautor Ali Mahlodji.

„Unversöhnliche Lager“

Mahlodji arbeitet seit 15 Jahren mit Jugendlichen und ist aktuell auch Testimonial in einer neuen Kampagne der österreichischen Gesundheitskasse, die Junge dazu aufruft, sich Hilfe zu holen.
„Ich habe auch gemerkt, da waren Kinder, die waren traurig. (…) Da gab es Kinder die aufgehört haben, zu essen, weil sie gedacht haben, es liegt an ihnen, dass sie nicht aus dem Bett rauskommen.“

Die CoV-Krise ist zugleich ein Spaltpilz der Gesellschaft geworden. „Die beiden Lager stehen sich so unversöhnlich gegenüber. ‚Lässt du dich impfen, lässt du dich nicht impfen. Hast du Angst vor Ansteckung, hast du keine Angst vor Ansteckung?‘ (…) Ein Riss geht durch die Familien, da zerbrechen Freundschaften daran“, so Keßelring.