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Chronik

MA-35-Beamter: „Heben Telefone nicht ab“

Die Magistratsabteilung 35, zuständig für Zuwanderung und Staatsbürgerschaft, steht seit Jahren in der Kritik. Bei der Volksanwaltschaft häufen sich die Beschwerden. Ein Mitarbeiter der MA 35 packt jetzt aus: „Telefone läuten bei uns den ganzen Tag, abgehoben wird so gut wie nie.“

Auf jedem Schriftstück und E-Mail der MA 35 steht: Ab 13.00 Uhr könne man sich beim zuständigen Referenten telefonisch erkundigen. Doch es hebt niemand ab, bestätigt jetzt ein MA 35 Mitarbeiter, der anonym bleiben will, gegenüber Ö1: „Die Telefone läuten bei uns tatsächlich den ganzen Tag. Abgehoben wird eigentlich so gut wie nie. Außer wir können sehen, am Display, dass es eine interne Nummer ist oder ein Vorgesetzter. Ansonsten wird das Telefon ignoriert.“

Missmanagement bei der MA 35

Die Magistratsabteilung 35, zuständig für Zuwanderung und Staatsbürgerschaft, steht seit Jahren in der Kritik. Bei der Volksanwaltschaft häufen sich die Beschwerden. Ein Mitarbeiter der MA 35 packt jetzt aus: „Telefone läuten bei uns den ganzen Tag, abgehoben wird so gut wie nie.“

„Dominoeffekt“ befürchtet

Der kurios anmutende Grund: Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen würden sich geradezu fürchten, Anliegen freundlich, entgegenkommend zu behandeln. Daraus ergebe sich sonst ein „Dominoeffekt“, meint der Mitarbeiter: „In dem Moment, wo einer unserer Referenten einmal ein Telefon abhebt und eine Frage beantwortet, spricht sich das herum unter den Antragstellern. Und das führt dann dazu, dass ganz viele Antragsteller blitzschnell informiert werden und die dann alle den Eindruck haben, sie könnten jetzt bei uns Antworten bekommen und ihre Anliegen bearbeitet. Und die kommen dann direkt persönlich am nächsten Tag. – Und dann ist quasi das ganze Amt voll.“

Der MA-35-Mitarbeiter bearbeitet vor allem Anträge von serbischen und türkischen Staatsbürgern. Fast immer gehe es nur um die Verlängerung bestehender Aufenthaltsgenehmigungen, meist eine Formsache. Für Aufregung unter ausländischen Arbeitskräften und Antragstellern zeigt er Verständnis. „Die verlieren ihre Jobs ohne Visum. Die können sich nicht bewerben ohne Visum, beziehen kein Kindergeld, keine Familienbeihilfe, also quasi kein Geld. Die kriegen nichts ohne das.“

450 Mails am Tag

Die Coronavirus-Krise hat die Situation verschärft. Die Antragsteller durften nicht ins Amt, mussten Schriftstücke per E-Mail schicken: „Da kann es schon passieren, dass man täglich mit einem E-Mail-Fach aufwacht, dass man bis zu 450 neue E-Mails hat, von denen Sie dann an dem Tag, wenn Sie einen guten Tag haben und vielleicht ein bisschen Überstunden machen, 120 abarbeiten können“, erklärt der Angestellte.

Darunter finden sich simple Beschwerdemails, nachgereichte Dokumente und auch Anträge. Ein Hauptgrund, warum auch manche Anträge nicht einmal registriert würden. Denn wird ein Antrag per E-Mail gestellt, kann er übersehen werden. Laut dem Mitarbeiter könnte dann der nächste Antrag auf Visum abgelehnt werden, weil man angeblich die Fristen nicht eingehalten habe.

Der Wiener bezeichnet die MA 35 auch als Personalkarussel, viele Kollegen landen im Burn-out, andere bewerben sich möglichst schnell weg in andere Magistratsbereiche.

Wiederkehr: Reformprozess gestartet

Aus dem Büro des zuständigen Stadtrats Christoph Wiederkehr (NEOS) hieß es, man habe bereits einen Reformprozess gestartet. Wiederkehr bestätigte „Schwierigkeiten bei der Erreichbarkeit“ in einigen Bereichen der MA 35. Es sei ihm auch die Frustration der Antragsteller und die Belastung der Mitarbeiter bewusst, sagte er im Ö1-„Mittagsjournal“.

Er begründete die Zustände ebenso wie zuvor schon der Leiter der MA 35 mit der Corona-Pandemie, in der praktisch kein direkter Kundenkontakt möglich gewesen sei und deshalb alles über Brief- oder Mailverkehr bzw. telefonisch erledigt werden musste. Bei über 150.000 Verfahren pro Jahr insgesamt sei das eine sehr große Herausforderung,

Um die Verfahren zu beschleunigen, habe man aber bereits das Personal aufgestockt. 25 zusätzliche Mitarbeiter hätten bereits den Dienst aufgenommen, für weitere 25 gebe es fixe Zusagen, aber die Einarbeitung der Mitarbeiter dauere auch wegen der komplizierten Bundesgesetze rund ein halbes Jahr. Darüber hinaus werde gerade ein telefonisches Service-Center eingerichtet. Zu Berichten, dass die Abarbeitung des Rückstaus bis Ende nächsten Jahres dauern werde, versicherte Wiederkehr, dass mit Hochdruck gearbeitet werde.