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APA/Georg Hochmuth
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Politik

MA 35 mit neuen Vorwürfen konfrontiert

Eine Deutsche, der mit Abschiebung gedroht wird, obwohl sie mit einem Österreicher verheiratet ist und zwei kleine Kinder hat: Die Beschwerden über die MA 35 häufen sich. Nach Ansicht eines Verwaltungsrechtsexperten steht auch eine Amtshaftung im Raum.

Mit einem bis heute erfolglosen Kindergeldantrag begann es vor einem Jahr. Der zweite Sohn der 36-jährigen Deutschen Manuela Karlsreiter war in Österreich auf die Welt gekommen. Sie erfuhr, dass sie für den Kindergeldbezug eine Zuwanderungsbestätigung der MA 35 braucht. Sechs Wochen musste sie auf einen Termin beim Amt warten. Und eigentlich, dachte sie, sie hätte alle nötigen Dokumente mit. „Einen ganzen Aktenordner mit Heiratsurkunde, Geburtsurkunden, Staatsbürgerschaftsnachweisen – ja, sogar die Kontoauszüge musste man vorlegen. Also sämtliche Spar- und Girokonten.“

Abschiebung geprüft

Ihr Ehemann ist Österreicher, die zwei kleinen Söhne deutsch-österreichische Doppelstaatsbürger, sie selbst ist Deutsche. Bedingt durch die Coronavirus-Krise war ihr Mann arbeitslos. Sie war selbst in Karenz. Und so verlangte die MA 35 einen Vermögensnachweis. Als sie auch nach Monaten den für den Kindergeldbezug nötigen DIN-A4-Zettel von der MA 35 nicht erhalten habe, habe sie sich an die Caritas-Rechtsberatung und an die Volksanwaltschaft gewandt, so Karlsreiter. Die stellte in einem Schreiben fest: „Die gesetzlich vorgesehene Verfahrensdauer von sechs Monaten wurde überschritten.“

Aber fast zeitgleich kam ein Schreiben der MA 35. Die Wiener Behörde hatte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingeschaltet – „hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung“ – wie es in dem Schreiben wörtlich heißt – indirekt also laut Karlsreiter eine Prüfung, „ob nicht ein Grund der Abschiebung vorliegt“.

Vermögensnachweis war ohne Datum

Das Argument des MA-35-Referenten für die Prüfung einer Aufenthaltsbeendigung war, dass die 36-Jährige laut ihrem Kontoauszug zwar 12.000 Euro besaß – als Beleg, dass sie sich in Österreich selbst erhalten kann. Doch irrtümlich hatte sie einen Screenshot geschickt, auf dem das Datum des Kontoauszugs nicht ersichtlich war. „Mir hat das aber allerdings auch niemand gesagt. Ich hab dann auch sofort den Kontoauszug auch nochmal anders nachgereicht, wo das Datum dann zu sehen war.“

Das BFA hat seine Erhebungen eingestellt, zumal Karlsreiter mittlerweile die Karenz beendet hat und in Österreich arbeitet. Die Volksanwaltschaft stellte fest, dass Karlsreiters Unterlagen zumindest einmal „in Verstoß“ geraten, also verloren gegangen waren – bei der MA 35. Doch die nötige Bestätigung von der MA 35 und damit 10.000 Euro Kindergeld fehlen nach wie vor. „Unsere Ersparnisse sind aufgebraucht“, sagt die 36-Jährige.

Studentin nicht gegen Kriegsfolgen versichert

Der Fall ist insofern kein Einzelfall als laut Anwälten immer wieder gegen EU-Bürgerinnen und -Bürger und auch gegen jene mit deutscher Staatsbürgerschaft Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung in Österreich eingeleitet werden. EU-Bürger und EU-Bürgerinnen dürfen nur in Österreich leben, wenn sie sich selbst erhalten können und versichert sind.

So sei der Fall der deutschen zweifachen Mutter zwar ein absurder, aber kein Einzelfall sagt der auf Fremdenrecht spezialisierte Anwalt Wilfried Embacher, er hatte einen ähnlichen: „Eine deutsche Studentin mit überdurchschnittlich gutem finanziellen Hintergrund. Da wurde irgendein Makel in der deutschen Krankenversicherung gefunden, weil Ereignisse nach Kriegsfolgen nicht abgedeckt gewesen wären, und daher würde das Recht zum Studium in Österreich nicht bestehen.“

Amtshaftung möglich

Die Wiener MA 35 bearbeite Fälle mit unverständlichem Misstrauen, so Embacher. Dieser Zugang sei auch ein Grund für die Überforderung des Amts. Auch jener anonyme Magistratsmitarbeiter, der die Geschichte ins Rollen gebracht hatte, bestätigte teilweise den Eindruck des Anwalts: „In den Bundesländern werden teilweise wesentlich weniger Dokumente verlangt von Antragstellern, um ihren Aufenhaltstitel zu bekommen.“

Ohne Visum können Betroffene den Job oder Sozialleistungen verlieren. Verwaltungsrechtsexperte Peter Bußjäger sieht einen massiven Verstoß gegen die Dienstpflichten, seiner Meinung nach steht hier auch eine Amtshaftung für entstandene Schäden im Raum. Bei der Volksanwaltschaft sind derzeit 513 Beschwerden gegen die Behörde anhängig, 55 Prozent davon betreffen Aufenthaltstitel für EU-Bürger.