Politik

VfGH beendet Schubhaft für Afghanen

Einen wohl richtungsweisenden Beschluss hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in Wien am Mittwoch bezüglich eines afghanischen Schubhäftlings getroffen. Dieser musste enthaftet werden, weil eine zeitnahe Abschiebung nach Afghanistan derzeit unmöglich ist.

Über den Mann war im April 2021 – nach zwei abgeschlossenen Asylverfahren – die Schubhaft verhängt worden. Aus der Schubhaft heraus stellte der Mann einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) erachtete die Fortsetzung der Schubhaft aber weiterhin als verhältnismäßig, da Fluchtgefahr bestehe. Gegen diese Entscheidung langte beim VfGH eine Beschwerde ein.

VfGH sieht derzeit keine Möglichkeit für Abschiebung

Schubhaft ist nur dann zulässig, wenn auch tatsächlich eine Abschiebung bevorsteht. Der VfGH schreibt nun: „Es ist nicht zu erkennen, dass eine zeitnahe – die gesetzlichen Höchstgrenzen der Anhaltung in Schubhaft berücksichtigende – Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat möglich ist. Die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft (und der damit einhergehende Freiheitsentzug) erweisen sich jedoch nur dann als verhältnismäßig, wenn das zu sichernde Verfahren letztlich zu einer Abschiebung führen kann.“

Der Afghane, dessen Anwalt sich an den VfGH gewandt hatte, wurde noch am Mittwoch aus der Schubhaft entlassen. Die Entscheidung des Gerichtshofs gilt nur für ihn, allerdings hat der VfGH seinen Beschluss sofort veröffentlicht. Anwalt Clemens Lahner sieht darin eine Signalwirkung für alle Schubhäftlinge, die nach Afghanistan abgeschoben werden sollen: „Ich verstehe das als Wink mit dem Zaunpfahl: Lasst die Leute aus der Schubhaft, weil ihr könnt sie sowieso nicht abschieben“, sagt er im Ö1-Mittagsjournal.

Derzeit 35 Afghanen in Schubhaft

Laut Innenministerium befinden sich derzeit 35 Afghanen in Österreich in Schubhaft. 30 sollen in europäische Staaten abgeschoben werden, es sind großteils „Dublin-Fälle“, die Betroffenen haben also in anderen Ländern die Grenze zur Europäischen Union überschritten. Fünf von ihnen wären zur Abschiebung nach Afghanistan vorgesehen. Ihre Enthaftung ist vorerst anscheinend nicht vorgesehen. Das Ministerium betont, dass der VfGH hier in einem Einzelfall entschieden habe. Die Schubhaft werde routinemäßig alle vier Wochen von der Justiz geprüft, und Schubhaft werde auf Anordnung der Justiz aufgehoben.

Laut einem Bericht der Tageszeitung „Der Standard“ hat allerdings auch das BVwG in den vergangenen Tagen schon in mehreren Fällen die Schubhaft für Afghanen aufgehoben.

„Ob unbescholten oder nicht, ist irrelevant“

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hatte zuletzt von Plänen für Abschiebungen in Nachbarländer von Afghanistan gesprochen. Bis zum Fall von Kabul pochte er auf Abschiebungen nach Afghanistan selbst. Für Lahner ist das „heiße Luft und nicht mehr. Wir haben in Österreich keine Todesstrafe, und deswegen können wir auch niemanden irgendwohin abschieben, wo ihm Todesgefahr droht. Und es ist klar, dass in Afghanistan Todesgefahr droht, und das weiß auch der Herr Nehammer. Er will es halt nicht sagen. Das ist Wahlkampf und nicht mehr.“

Auf die Frage, ob sein Mandant in Österreich Drogendelikte oder andere Straftaten begangen habe, sagt der Rechtsanwalt: „Ob dieser Mann unbescholten ist oder Straftaten begangen hat, ist ehrlich gesagt irrelevant. Wenn ihm in Afghanistan der Tod droht, dann schieben wir ihn nicht ab. Egal, ob er nett und lieb und brav und super integriert ist oder ob es ein Straftäter ist. Wir bringen keine Menschen um.“ Auch was die Abschiebung von Straftätern betrifft, widerspricht der Rechtsanwalt so der Linie des Innenministers.