Angeklagter
APA/Herbert Neubauer
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Chronik

Lebenslange Haft für Mord an Freundin

Wegen Mordes an seiner Freundin ist am Dienstag ein 29-Jähriger von einem Schwurgericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Zudem wurde der Mann auf Basis einer ihm von Gerichtspsychiater Peter Hofmann bescheinigten Gefährlichkeit in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger meldete nach kurzer Besprechung mit dem 29-Jährigen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.

Auch den gerichtlichen Zuspruch von rund 22.000 Euro an die Mutter der Getöteten – 20.000 Euro Trauerschmerzengeld sowie die Begräbniskosten – will Arbacher-Stöger bekämpfen. Der Wahrspruch der Geschworenen war mit 7:1 Stimmen im Sinn der Anklage ausgefallen.

Angeklagter: Leblos vorgefunden

Diese hatte dem 29-Jährigen zur Last gelegt, in der Nacht auf den 23. Februar 2021 seine 28-jährige Freundin in ihrer Wohnung minutenlang heftig gewürgt, ihr ein Plastiksackerl über den Kopf ge- und zugezogen und ihr am Ende ein Messer in den Bauch gestoßen zu haben. Der Angeklagte behauptete, er habe die Frau nicht getötet. Er habe sie bereits leblos vorgefunden.

Die 28-Jährige – eine gebürtige Polin – hatte den um ein Jahr älteren Mann 2019 kennengelernt. Dieser hatte bereits eine Ehe hinter sich, wobei sich diese Frau laut Anklage von ihm scheiden ließ, nachdem er sie regelmäßig verprügelt, mit Mord bedroht und ein Mal Minuten lang gewürgt hatte. Auch seine neue Beziehung „war von Anfang an von Gewalt geprägt. Es kam wiederholt zu Polizeieinsätzen“, stellte Staatsanwalt Gerd Hermann fest.

Bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt

Das Paar sei dem Alkohol nicht abgeneigt gewesen, was die Aggressionsbereitschaft des fünfmal vorbestraften – in einem Fall wegen gegen seine Ex-Frau gerichteter Gewalttätigkeiten – Gelegenheitsarbeiters in dann angetrunkenem Zustand oftmals erhöht habe. 2019 zeigte ihn seine neue Lebensgefährtin wegen fortgesetzter Gewaltausübung an. „Er hat sie ein Mal derart heftig gewürgt, dass sie bewusstlos wurde“, berichtete der Staatsanwalt.

In der anschließenden, im Vorjahr durchgeführten Gerichtsverhandlung zog die Frau ihre belastenden Angaben zurück. Der Mann wurde freigesprochen, sie in weiterer Folge wegen Verleumdung und falscher Zeugenaussage verurteilt. Man habe die ursprüngliche Aussage der Frau aber „sehr ernst genommen“ und von Spezialisten des Landeskriminalamts eine Gefährdungsanalyse ihres Partners erstellen lassen, betonte der Ankläger.

Gab damals keine rechtliche Handhabe

Das Ergebnis dieser Einschätzung mutet aus Sicht der Staatsanwaltschaft wie eine Vorwegnahme des späteren Geschehens an. Die Gefahr für die 28-Jährige bzw. zukünftige andere Partnerinnen des Mannes wurde als hoch eingeschätzt, wobei vor allem vor Würgen gewarnt wurde. Allerdings gab es aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden keine rechtliche Handhabe, um gegen den Mann vorzugehen.

Die Partnerin blieb weiter bei ihm, in der kriminalistischen Gefährdungseinschätzung wurde auf die „emotionale Abhängigkeit“ der 28-Jährigen verwiesen, eine „Loslösung“ sei ihr „nur für kurze Zeit möglich“, hieß es. Der „Wunsch nach Zweisamkeit“ sei stärker, sie selbst fühle sich „wertlos“, was zu „emotionaler Unterwerfung“ führe.

Angeklagter
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Angeklagter ist bereits einmal vor Gericht gestanden

Drohung: „Durch meine Hände sterben“

Dabei soll der Angeklagte schon 2019 seiner Freundin in einem Streit erklärt haben, diese werde „durch meine Hände sterben“. Das bestritt er nun vor einem Schwurgericht entschieden. Er räumte im Grauen Haus zwar ein, dass es in der Nacht auf den 23. Februar zunächst in der Wohnung der Frau zu einem Streit gekommen sei, wobei Gläser zu Bruch gingen und er ihr einen Schubs versetzt hätte.

Sie sei gestürzt, habe sich an der Hand aufgeschnitten und sich mit der Rettung in ein Spital begeben, wo sie ambulant behandelt wurde. Dass er sie bei dieser Auseinandersetzung mit einem Schuh verprügelte – das hatte die 28-Jährige gegenüber der Polizei erklärt –, sei nicht wahr, sagte der Angeklagte.

„Hab geglaubt, sie schläft“

Er sei dann mitten in der Nacht aus ihrer Wohnung gegangen und „stundenlang herumgeirrt“, behauptete der 29-Jährige. Schließlich sei er am frühen Morgen zurück in ihre Wohnung gegangen, habe die angelehnte Wohnungstür bemerkt und dahinter die 28-Jährige mit einem halb über den Kopf gezogenen Plastiksackerl am Boden liegend gefunden: „Ich hab’ zuerst geglaubt, sie schläft. Ich hab’ sie aufgerichtet. Ich hab’ geglaubt, sie lebt.“ In seinem „Schockzustand“ habe er sich zu ihrem im selben Wohnhaus lebenden Stiefvater begeben, diesen geweckt und sich mit diesem zurück an den Tatort begeben.

„Ich bin immer noch schockiert, dass sie gestorben ist, dass sie ermordet worden ist“, gab der Angeklagte zu Protokoll. Auf die Frage des vorsitzenden Richters, wer die Frau denn umgebracht habe, erwiderte er: „Das ist eine sehr gute Frage.“ Sie habe Leute gekannt, „die ich teilweise überhaupt nicht gekannt habe“. Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger verwies in diesem Zusammenhang auf den angeblich „großen Bekanntenkreis“ der Getöteten.

DNA-Spuren belastend

Staatsanwalt Hermann zeigte sich demgegenüber überzeugt, dass nur der Angeklagte als Täter in Frage kommt. Während die Polizei nach dem Einsatz in der Wohnung der Frau nach deren Partner suchte, um gegen diesen ein Betretungs- und Annäherungsverbot auszusprechen, sei dieser in ihre Wohnung zurückgekehrt und habe mit der aus dem Krankenhaus zurückgekommenen Frau wieder einen Streit begonnen. „Er hat ihren Hals ergriffen und massiv zugedrückt“, bekräftigte der Staatsanwalt.

Laut gerichtsmedizinischem Gutachten wurde der 28-Jährigen unter anderem ein zweifacher Bruch des Ringknorpels zugefügt. Außerdem stellte der Gerichtsmediziner Daniele Risser eine Zungenbissverletzung fest – ein Indiz für einen längeren Würgeakt. Wie der Ankläger betonte, würden DNA-Mischspuren am Hals und am Plastiksackerl den 29-Jährigen belasten.

Schwerwiegende Persönlichkeitsstörung

Der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann bescheinigte dem Angeklagten eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung, die durch jahrelangen Alkohol- und Drogenkonsum verstärkt worden sei. Es handle sich um eine sozial desintegrierte Persönlichkeit, der Mann weise einen ausgeprägten Narzissmus auf. Die inkriminierte Tat bezeichnete Hofmann als „hochaggressiv“, für den Fall eines Schuldspruchs empfahl er dem Gericht, den 29-Jährigen aufgrund dessen Gefährlichkeit zusätzlich in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen.

Die Tötung der 28-Jährigen zeige akute Defizite im Opferschutz und Behördenversagen auf, kritisierten am Dienstag Vertreterinnen von Opferschutzeinrichtungen – mehr dazu in Gewaltschutz: Kritik an Behördenversagen (wien.ORF.at; 24.8.2021).