Auftakt zur Auffrischungsimpfung in Wiener Pflegeheim
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Coronavirus

Fälle in Pflegeheim: Debatte um Impfpflicht

In Liesing haben in einem Pflegewohnhaus der Caritas Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus begonnen. Dass es dort aktuell vier Coronafälle gibt, heizt die Debatte über eine Impfpflicht an. Patientenanwältin Pilz spricht von einer Niederlage für die Impfkampagne.

Impfgegner unter den Bewohnern und Bewohnerinnen im Haus St. Barbara sind kaum zu finden, erst recht nicht, seitdem die vier Coronafälle bekannt wurden: „Ich habe zwei Enkerln, Schwiegersohn und Tochter, und ich gehe leidenschaftlich gerne zum Chinesen, und ohne Impfung darf ich nicht hinein“, sagt eine der Bewohnerinnen. Für die Auffrischungsimpfung kommt die Ärztin ins Haus. Die Bewohner kennen das Procedere, 95 Prozent sind zweimal geimpft.

Dritter Stich in Altersheimen startet

Ab Freitag kann man sich für die CoV-Auffrischungsimpfung anmelden. In einem Pflegewohnhaus der Caritas wurde bereits am Donnerstag begonnen.

Beim Personal aber ist rund ein Fünftel nicht geschützt. Es seien meist sehr persönliche Gründe, sagte Heimleiter Claudiu Suditu: „Wir haben Mitarbeiter, wo diese Entscheidung in der Familie getroffen wird, wo salopp formuliert die Scheidung ansteht, wenn sich ein Mitarbeiter impfen lassen würde.“ Es gebe auch konfessionelle und gesundheitliche Gründe. Nach 30 Jahren in der Pflege wisse er, dass Schwestern und Pfleger „gar nicht gut auf eine Impfpflicht reagieren“. Aber wenn man oft genug an sie herantrete, versuche zu verstehen, was ihre Gründe sind, warum sie vorsichtig gegenüber einer Impfung seien, „wird man schon gut ans Ziel kommen“, so Suditu.

Pilz fordert Impfpflicht für Gesundheitsberufe von Mückstein

Das Faktum, dass rund 20 Prozent des Personals ungeimpft arbeiten würden, sei für sie eine „Niederlage für unsere Impfkampagne“, sagte die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz im „Wien heute“-Gespräch. Und es sei auch eine Niederlage jenen Menschen gegenüber, denen man zum Schutz verpflichtet sei, also Kindern, alten Menschen und anderen verletzbaren Gruppen.

Sie nehme es sehr ernst, wenn sich jemand aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen kann. Dann müsse man das berücksichtigen, aber auch schauen, wie diese Menschen eingesetzt werden. Grundsätzlich könne sie es nicht verstehen, wenn sich ein Hausleiter gegen die Impfpflicht ausspreche, denn er habe ja Schutzbefohlene, „und es ist ja auch so, dass es die Mitarbeiter schützt, wenn sie geimpft sind“, so Pilz. Hier dürfe kein Fleckerlteppich zugelassen werden, forderte Pilz von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) eine österreichweite Impfpflicht für den Gesundheitsbereich.

Impfen zum Schutz jener, die sich nicht schützen können

Angehörige, die sich bei ihr gemeldet hätten, würden sich Sorgen machen, weil sie nicht wissen, ob das Personal geimpft sei. Sie würden darüber keine Auskunft bekommen, fuhr Pilz fort. Andere würden vermuten, dass jemand nicht geimpft ist, und hätten große Angst, dass sich ihre Angehörigen anstecken. Es melden sich Eltern, die Sorge haben, dass sich die Kinder anstecken.

Kennzahlen für Wien

In den vergangenen 24 Stunden sind 494 Neuinfektionen gemeldet worden. im Spital werden derzeit 161 (+5) Menschen behandelt, 50 (+3) von ihnen auf der Intensivstation.

Sie habe sich schon wiederholt für eine Impfpflicht für all jene ausgesprochen, die im Gesundheitsbereich – Pflege, Spitäler, Ordinationen und anderes mehr – arbeiten. „All diese Menschen müssten geimpft sein, damit sie jene schützen könnten, die ihnen anvertraut sind“, so Pilz, „und dass sie sich auch selber schützen, aber auch Pädagogen in der Elementarpädagogik bis hinauf in die Gymnasien“.

Über die steigenden Infektionszahlen sei sie sehr besorgt „und ich verstehe auch nicht, dass so viele Politiker schon vor Wochen gewusst haben, dass die Pandemie zu Ende ist. Sie ist nicht zu Ende. Das sagen uns auch die Virologen.“ Es gebe allen Grund zur Vorsicht: „Die Wahrheit ist, dass wir uns auf einen Herbst einstellen müssen, der uns besorgt machen muss und wo es wichtig ist, dass wir das wichtigste Instrument, nämlich die Impfung, ausbauen – dass wir möglichst für eine gute Situation sorgen, dass wir jene schützen können, die sich nicht selbst schützen können“, so Pilz.