Blick auf die Wiener Wohnen Zentrale
APA/Robert Jäger
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Chronik

Wiener Wohnen: 53 Korruptionsanklagen

In dem mutmaßlichen Betrugsfall im Zusammenhang mit der Sanierung von Gemeindebauten liegt nun eine erste Anklage vor. 53 Personen werden wegen Bestechlichkeit angeklagt, 45 von ihnen sind bei Wiener Wohnen beschäftigt.

Konkret geht es bei der Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), von der am Freitag auch die „Kronen Zeitung“ berichtete, um den Vorwurf der Annahme von Schmiergeld bei Reparaturen im Gemeindebau. Die als Werkmeister oder Referenten tätigen Mitarbeiter sollen sich von Unternehmen im Einflussbereich eines 56-jährigen Geschäftsmanns mit Tank- und Einkaufsgutscheinen haben bestechen lassen. Addiert man auf Basis der Anklageschrift die mutmaßlich geflossenen geldwerten Beträge, kommt man auf eine Schadenssumme von rund 170.000 Euro.

Wiener Wohnen: 53 Korruptionsanklagen

In dem mutmaßlichen Betrugsfall im Zusammenhang mit der Sanierung von Gemeindebauten liegt nun eine erste Anklage vor. 53 Personen werden wegen Bestechlichkeit angeklagt, 45 von ihnen sind bei Wiener Wohnen beschäftigt.

Angebliche Schäden wurden gemeldet

Ausgang soll das Ganze mit einer „Geschäftsidee“ des 56-Jährigen genommen haben. Seine eigenen Leute meldeten bei Wiener Wohnen angebliche Schäden in öffentlich zugänglichen Bereichen in Gemeindebauten, etwa in Kellerabteilen, Dachböden und Stiegenhäusern. Dazu ließ er laut Anklage von seinen Mitarbeitern „Häuserlisten“ erstellen, für die Behebung der – teilweise nur behaupteten – Schäden, darunter etwa zerbrochene Fensterscheiben, wurde dann letztlich auf Kosten des Steuerzahlers abkassiert. Laut Zeugenaussagen wurden dann etwa Fenster nicht getauscht, sondern nur geputzt und die Fugen gewechselt.

Dem 56-Jährigen, der unter anderem eine Glaserei und Malerei, einen Steinmetzbetrieb und mehrere Baufirmen betrieben hat, dessen Schwester und sechs weitere in seinem Firmenkonglomerat tätige Mitarbeiter wurden wegen Bestechung zur Anklage gebracht. Insgesamt müssen sich somit in der Korruptionsaffäre – inkriminiert ist ein Tatzeitraum von April 2011 bis Jänner 2013 – 53 Personen vor Gericht verantworten. Davon arbeiten 45 bei Wiener Wohnen, bei den restlichen Personen handelt es sich um Mitarbeiter von Baufirmen.

Werkmeister sollen mitkassiert haben

Die Ingenieure und Werkmeister bei Wiener Wohnen, deren Aufgabe es gewesen wäre, allfällige Schäden bei Begehungen feststellen, ließen sich der WKStA zufolge diese Aufgabe vom 56-Jährigen entgeltlich abnehmen. Sie wurden für ihr Nichttätigwerden „mit Gutscheinen belohnt“, heißt es in der Anklage. Dabei soll es sogar eine Art Tarif gegeben haben: Die laut WKStA korrupten Werkmeister erhielten in der Regel Gutscheine – in seltenen Fällen Bargeld – im Gegenwert von rund drei Prozent der beauftragten Rechnungssumme.

Bei einigen Gemeindebediensteten kam dergestalt ein „Zubrot“ von wenigen 100 Euro zusammen, andere verdienten mehr: Ein 55-jähriger Beamter soll sich um mehr als 15.000 Euro in Form von Gutscheinen bereichert haben.

„Wir machen ja gar nix. Außer putzen eventuell“

„Nachdem sich das System eingespielt und als wirksam und gewinnbringend herausgestellt hatte, wurde es optimiert“, hält die WKStA in ihrer Anklage fest. Da die Wiener-Wohnen-Mitarbeiter nicht feststellten, ob es überhaupt Schäden gab, und nachher auch nicht kontrollierten, ob diese überhaupt behoben und die erteilten Aufträge ordnungsgemäß durchgeführt wurden, „war es ein Leichtes, tatsächlich nicht eingetretene ‚Schäden‘ zu melden und derart Scheinaufträge zu generieren“. Laut Anklage wurden die Bestechungszahlungen an die Gemeindebediensteten in einem eigenen Evidenzbuch erfasst.

Die WKStA betont in ihrer Anklageschrift, es gebe „ungewöhnlich viele Beweise für die Gewährung und die Annahme von Vorteilen“. Sie verweist auf sichergestellte „Gutscheinlisten“, die belastenden Angaben eines Angestellten des 56-jährigen Unternehmers, der mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiert und der in einem separaten Verfahren als Beschuldigter geführt wird, und schriftliche Protokolle über wöchentliche Besprechungen, die der Unternehmer als PDF-Dateien abgespeichert hat und die die inkriminierten Vorgänge teilweise bis ins Detail dokumentieren. So wird an einer Stelle zu den in Rechnung gestellten Arbeiten festgehalten: „Wir machen ja gar nix. Außer putzen eventuell.“

Der Großteil der Angeklagten machte im Ermittlungsverfahren vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Vom Rest soll sich keiner geständig verantwortet haben. Für sämtliche zur Anklage gebrachten Personen gilt die Unschuldsvermutung. Die Anklage wurde vergangene Woche eingebracht, sie ist nicht rechtskräftig.

Kolportierte Schadenssumme von 65 Mio. Euro

Die Ermittlungen im betreffenden Fall gehen weit zurück: Auslöser war eine Betrugsanzeige gegen den ehemaligen Geschäftsführer einer Glaserei- und Malereigesellschaft, die Wiener Wohnen 2012 selbst erstattet hatte. Laut der Gemeindebauverwaltung offenbarte sich im Verfahren ein Konstrukt von mehr als 70 Firmen. Unternehmen sollen immer wieder Leistungen verrechnet haben, die dann nur teilweise oder in minderer Qualität erbracht worden sein sollen. Kolportiert wurde damals eine Schadenssumme von 65 Millionen Euro. In der jetzigen Anklage geht es nur um die mutmaßlich geflossenen geldwerten Beträge – das sind rund 170.000 Euro.

Bei Wiener Wohnen hatte man schon bei Bekanntwerden der Vorwürfe 2017 Konsequenzen gezogen: 14 Vertragsbedienstete wurden in andere Dienststellen versetzt, 18 Beamte wurden suspendiert. Die Verträge mit den Firmen seien aufgelöst worden. Außerdem habe Wiener Wohnen – sofern vergaberechtlich möglich – alle anderen der Gruppe zugehörigen Unternehmen von Vergabeverfahren ausgeschlossen. Dass nun eine Anklage vorliegt, begrüßt man grundsätzlich – denn nach einem Urteil könne es auch weitere personalrechtliche Konsequenzen geben.

Gaal: Freue mich auf gerichtliche Entscheidungen

Wiens Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (SPÖ) verwies einmal mehr darauf, dass Wiener Wohnen die Ermittlungen selbst ins Rollen gebracht habe. „Ich freue mich sehr, wenn jetzt endlich gerichtliche Entscheidungen getroffen werden“, so Gaal im „Wien heute“-Interview.

Auch bei Wiener Wohnen selbst habe es Änderungen gegeben, damit so etwas nicht mehr vorkommen könne. Einerseits handle es sich dabei um strukturelle Maßnahmen wie eine interne Revision, andererseits gehe es dabei um die Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Kritik der Opposition

Die beim Landesgericht eingebrachte Anklage löste am Freitag eine Fülle an politischen Reaktionen aus. Die ÖVP ortete einen „weiteren politischen Skandal im roten Wien“. Besonders brisant sei, „dass Bürgermeister (Michael) Ludwig, damals in seiner Funktion als Wohnbaustadtrat, selbst politisch verantwortlich für diese vermeintliche Korruption auf dem Rücken der Wiener Steuerzahler ist“, hielt die Wiener ÖVP-Landesgeschäftsführerin Bernadette Arnoldner in einer Aussendung fest. Es stelle sich die Frage, was Ludwig von den Vorgängen wusste. Die Wiener Türkisen verlangten „volle Aufklärung und sofortige politische Konsequenzen“.

Der Wiener FPÖ-Landesparteiobmann Dominik Nepp verlangte den Rücktritt von Wohnbaustadträtin Gaal. Nepp und FPÖ-Bautensprecher Philipp Schrang traten überdies für eine Bundesaufsicht über Wiener Wohnen ein. „Die Sozialdemokratie schafft es offenbar nicht, bei Wiener Wohnen für Ordnung zu sorgen. Wir müssen das Tafelsilber Wiens vor dem Verfall schützen. Das Wirtschaftsministerium beherbergt eine wohnpolitische Abteilung und wäre eine geeignete Aufsichtsbehörde“, so Nepp in einer Aussendung.