Die 50er und 60er sind in Wien immer nur ein paar Schritte entfernt, sagt Autor und Grafiker Tom Koch: „Wer dieses Buch liest, wird Wien mit anderen Augen sehen. Man kann die Zeugen der Nachkriegsmoderne allerorts in Wien sehen.“ Die Stadt sei fast so etwas wie ein Freilichtmuseum.
Im Alltag oft übersehen
Ob Wohnbauten, öffentliche Gebäude, städtische Infrastruktur oder Freizeitanlagen: Vieles aus dieser Zeit werde auch heute noch genutzt. Während jedoch Wahrzeichen wie die Stadthalle oder der Ringturm Wertschätzung erfahren, wird „Mid-Century-Design“ im Alltag oft übersehen. Koch und Doleschal wollen das ändern und haben für ihr Buch monatelang um die hundert Locations besucht.
Fotostrecke mit 6 Bildern
Aktiver Atomreaktor im Prater
„Wir sind durchaus an Orte gekommen, die wir selbst nicht kannten und einen Wow-Effekt ergeben haben – wie zum Beispiel ein aktiver Atomreaktor mitten in Wien, der in den 60ern eröffnet worden ist“, so Koch im „Wien heute“-Interview. Dabei handelt es sich um einen Versuchsreaktor der TU Wien beim Prater. „Damals gab es 60 aktive Testreaktoren. Der in Wien ist heute noch in Betrieb, liegt mitten in der Stadt. Umso erstaunlicher ist, dass die nächste Wohn- und Gartensiedlung nur wenige Meter entfernt ist.“
Buchpräsentation:
Donnerstag, 9. September 2021, 18.30 Uhr, Volksgarten Pavillon
Ausstellung:
23. September 2021 bis 9. Jänner 2022, Wien Museum Karlsplatz Open Air
Beeindruckend für Koch war der große Wasserspeicher der Wiener Wasserleitung: „Dort gibt es eine Schaltanlage, die diese riesigen Wasserkammern zentral gesteuert und gemessen hat, die bis in die 90er Jahre in Betrieb war, aber bis heute nahezu unverändert ist.“
Auch die Sendeanlage am Bisamberg zählt zu seinen Highlights. „Man weiß zwar, dass sie da ist, aber nicht öffentlich zugänglich“, so Koch. „Und wenn man den Blick über Wien und diese alten Geräte, die damals Hightech waren und die ganzen Jahrzehnte überlebt haben, ist das etwas Besonderes.“
„Mid-Century Vienna“: Das Wien der 50er und 60er
Die 1950er und 1960er Jahre leben in Wien an vielen Plätzen weiter. Ein Autor und ein Fotograf haben sich jetzt für das Buch „Mid-Century Vienna“ auf die Spuren der Zeitzeugen gemacht und überaus Interessantes gefunden.
Umstrittene Architektur der Nachkriegszeit
Rund 350 Fotos haben es ins Buch „Mid-Century Vienna“ geschafft, in dem das Cafe Prückel, Karl Schwanzers Neue Gruft, das Gartenbaukino vor der Sanierung und viele mehr abgebildet sind. Das Buch erzählt so manche Geschichte über die Bauwerke, will die – manchmal durchaus umstrittene – Architektur nicht bewerten, sagt Koch. „Es soll dazu anregen, sich die Orte selbst anzusehen, selbst anzueignen und einfach für sich eine Meinung zu bilden.“ Eine Einladung, Wiens Zeugen der Aufbaujahre künftig mit neuem Blick zu sehen.