Parallel Vienna 2021_Location Semmelweisklin
Julia Harrauer
Julia Harrauer
Kultur

Künstler bespielen Semmelweisklinik

Heute startet die Parallel Vienna ihre neunte Ausgabe in der ehemaligen Semmelweisklinik in Währing. Als Hybrid aus Kunstmesse, Ausstellung und Künstleratelier vereint die Kunstmesse Galerien, Offspaces und Kunstvereine sowie Einzelpräsentationen.

Dem Konzept bleibt man dabei treu, temporär leer stehende Gebäude zur Ausstellungsplattform umzufunktionieren. Nach dem Ableger Parallel Vienna Editions im Frühjahr werden nun rund 170 Räume der ehemaligen Geburtenklinik und der Krankenhausschule auf insgesamt 10.000 Quadratmetern von über 500 Künstlerinnen und Künstlern bespielt. Die meisten leben und arbeiten in Wien, zugleich sind zahlreiche Nationalitäten vertreten. Für ein umfangreiches Performance-Programm steht eine Bühne im Außenbereich der Klinik bereit.

„Wiedergeburt mit der Kunst“

Mit der Parallel Vienna bekommt die Semmelweisklinik eine „Wiedergeburt mit der Kunst“, so Stefan Bidner. Der künstlerische Leiter präsentierte die heurige Ausgabe, zu der auch eine Essensperformance im „Motto am Fluss“ gehört. Arbeiten von Erwin Wurm sind Samstag und Sonntag im Geymüllerschlössel zu sehen – nördlich des Pötzleinsdorfer Schlossparks und rund 20 Gehminuten von der Parallel Vienna entfernt.

Neu dieses Jahr ist die Kooperation mit Museen. Inhaberinnen und Inhaber eines MAK- und Leopold-Museum-Tickets, das zwischen 2. und 12. September erworben wurde, sowie „Freunde der Albertina“ erhalten eine Ermäßigung beim Ticketkauf. Aufgrund der relativen Abgelegenheit der Semmelweisklinik steht heuer im Stundentakt ein Shuttlebusservice von der Operngasse zur Verfügung.

Semmelweisklinik außen
Julia Harrauer
500 Künstlerinnen und Künstler bespielen die Semmelweisklinik in Währing

Blick auf psychische Krankheiten

„Bei der Kunstproduktion wurde auch der Ort berücksichtigt. Es gibt schon Bezüge zum Haus selbst“, erklärte Bidner. In Interventions haben einige Künstlerinnen und Künstler sich bewusst mit dem Raum auseinandergesetzt. So zum Beispiel Olivia Altmann, die auf der Parallel Vienna ein Badezimmer bespielt. Mit ihrer Rauminstallation „Parallel Prescription“ wirft die Künstlerin einen kritischen Blick auf den gesellschaftlichen Umgang mit psychischen Krankheiten.

Ebenso gesellschaftskritisch und feministisch, aber mit einem Augenzwinkern, ist die Videoinstallation „Apologizing Men“. Beim Project Statement von Julia Niemann und Leonie Seibold ist der Name Programm: Auf drei Leinwänden werden simultan Fragmente aus Pressekonferenzen, Spielfilmen, Musikvideos und historischem Archivmaterial abgespielt. Von Kurt Waldheim über Barack Obama bis zu Richard Gere in „Pretty Woman“ – aus allen Richtungen prasseln die unterschiedlichsten Entschuldigungen auf einen ein. Die Künstlerinnen bilden eine Gesellschaft ab, deren Geschichte sich entlang der Fehltritte von Männern erzählen lässt. Zu sehen sind auch Arbeiten von Joël*le McHer.

„Semmelweisheiten“ zur freien Entnahme

Vor dem ehemaligen Besucherzimmer im ersten Obergeschoß gibt es „Semmelweisheiten“ zur freien Entnahme. Es sind ausgewählte Zitate von Ignaz Semmelweis über das Kindbettfieber, gesammelt auf fein säuberlich gefalteten A4-Seiten, die aus einem umfunktionierten Desinfektionsspender herausragen. Im Besucherzimmer selbst gibt es weitere Werke der Klasse Dorit Margreiter für Video und Videoinstallation zu sehen – eine von zehn Universitätsklassen, die heuer auf der Parallel Vienna vertreten sind.

Beim Durchgang durch die Ausstellungsräume sind manchmal Bezüge zur Pandemie erkennbar, so beispielsweise die Schlafperformance der Künstlerin Anne Glassner, die vom Bett aus arbeitet. Mit dem „Ritual des Händewaschens“, wie es Bidner nennt, das im Pandemiekontext wieder in den Vordergrund gerückt ist, schließt sich der Kreis mit Semmelweis. Und am Freitag wird auf der Bühne die Französin Nicole Malbec zu sehen sein. In ihrer Performance-Reihe besingt die Künstlerin ihre eigene Kunst und verbindet so ihre beiden Professionen.