Chronik

Förderbetrug mit Kindergärten: Erstes Urteil

Im Prozess rund um den Förderbetrug von Wiener Kindergartenbetreibern in Millionenhöhe hat es am Donnerstag ein erstes Urteil gegeben. Einer der vier Angeklagten erhielt eine bedingte Haftstrafe von acht Monaten.

Er bekannte sich vollinhaltlich zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft und wollte sonst keine Angaben mehr machen. Deshalb wurde das Verfahren gegen die anderen drei Beschuldigten ausgeschieden und das Urteil gegen den 38-Jährigen nach kurzer Beratung gesprochen. Der 38-Jährige, der von Philipp Wolm anwaltlich vertreten wurde, erhielt wegen Untreue von 100.000 Euro einen Schuldspruch und eine bedingte Haftstrafe von acht Monaten.

Zwei Millionen Euro Schaden

Das Verfahren gegen die anderen drei Beschuldigten wurde ausgeschieden. Der Prozess, wo es u.a. um einen Schaden von rund zwei Millionen Euro geht, wird am 2. Dezember stattfinden. Am Donnerstag erschienen der 37-jährige Hauptangeklagte sowie die 50-jährige Chefin der Buchhaltung und Projektleiterin vor Gericht. Sie bekannten sich zunächst nicht schuldig.

Über 40 Zeugen geladen

Ein 36-Jähriger, der für die finanziellen Belange der Vereine zuständig war und die Vereinskonten verwaltete, blieb der Verhandlung fern. Er soll sich in die Türkei abgesetzt haben. Seine Anwältin wird nun erneut versuchen, ihn über den neuen Verhandlungstermin in Kenntnis zu setzen. Der Prozess wird einige Zeit in Anspruch nehmen, es sind mehr als 40 Zeugen geladen.

Wie Staatsanwältin Kerstin Wagner-Haase in ihrem Eröffnungsplädoyer ausführte, sollen die Machenschaften des Hauptangeklagten Abdullah P. im Jahr 2010 begonnen haben. Die Wiener Magistratsabteilung 10 betreibt eigene städtische Kindergärten, fördert aber auch Trägerorganisationen privater Bildungs- und Betreuungseinrichtungen. Und genau das soll sich der 37-Jährige zunutze gemacht haben.

Subventionen für Fake-Kinder verrechnet

Nach der Gründung eines islamischen Bildungszentrums in der Romanogasse in der Brigittenau soll er mittels zahlreicher Vereine, die als Betreiber von Kindergärten bzw. Bildungseinrichtungen ausgewiesen waren, zahllose Förderbetrügereien begangen haben. Abdullah P. soll dazu Strohmänner an die Spitze seiner zahlreichen Vereine gesetzt haben, aber selbst weiter der faktische Leiter gewesen sein. „Nach außen hat er nicht als Obmann agiert, hat aber im Hintergrund die Fäden gezogen“, sagte die Staatsanwältin.

Für diverse Förderungen notwendige Gemeinnützigkeitsbestätigungen wurden demnach großteils gefälscht, ebenso Rechnungen für sogenannte Anstoßfinanzierungen. Der Stadt Wien wurden für die laufenden Subventionen Fake-Kinder verrechnet.

Verteidung: „Pate war er nicht“

Laut Anklage erhielt der Verein KIBIZ (Kinder Bildungs-und Integrationszentrum) für den Betrieb der Kindergruppen von September 2013 bis April 2015 von der MA 10 insgesamt 1,8 Millionen Euro an laufenden Förderungen. Zudem sollen Zahlungen und Darlehen ohne entsprechende Ansprüche zwischen den Vereinen untereinander und dem Dachverein sowie vice versa erfolgt sein, auch nachdem diese erkennbar zahlungsunfähig waren. Dabei hätten die Förderungen widmungsgemäß erfolgen müssen.

Wo ist das Geld?

Der 37-jährige ausgebildete Integrationscoach muss sich dann ab 2. Dezember u.a. wegen gewerbsmäßigen schweren Betruges, Urkundenfälschung, Untreue, betrügerische Krida und Förderungsmissbrauchs verantworten. Dass sein Mandant der Chef des angeblich auf Förderbetrug ausgerichteten kriminellen Wiener Kindergartennetzwerks gewesen sein soll, stellte sein Anwalt am Donnerstag in Abrede. „Dieser Pate war er nicht“, meinte der Verteidiger. „Weil dann müsste es ja irgendwo Geld geben.“ Sein Mandant sei mittellos. „Er hat kein Auto, lebt in einer Mietwohnung, er hat nicht einmal eine ordentliche Zahnprothese“, sagte der Anwalt.

 Im Wiener Landesgericht startete 2016 nder Prozess gegen den mutmaßlichen Kopf des auf Förderbetrug ausgerichteten Wiener Kindergarten-Netzwerks. Im Bild: Der Hauptangeklagte und sein Anwalt Klaus Ainedter vor Prozessbeginn.
APA/ Georg Hochmuth
Bereits 2016 stand der mutmaßliche Kopf des auf Förderbetrug ausgerichteten Kindergartennetzwerks vor Gericht

Er vermutet eher, dass sich jener Beschuldigte, der sich in die Türkei abgesetzt hat, das Vermögen einverleibt habe. Abdullah P. saß allerdings wegen ähnlicher Tathandlungen bereits 2016 vor Gericht. Auch seine nun ebenfalls angeklagte Buchhalterin saß damals mit ihm auf der Anklagebank. Er wurde wegen Urkundenfälschung zu drei Monaten bedingt verurteilt. Damals hätten die Beweise nicht zu mehr ausgereicht. Die jetzige Anklageschrift umfasst 57 Seiten und beschuldigt den Kindergartenbetreiber zahlloser Betrügereien – mehr dazu in Freispruch von Mietbetrügereien.