Es sei „eine ungeheuer dichte Ausstellung“, die rund 140 Positionen in etwa 180 Werken versammelt, sagte Belvedere-Chefin Stella Rollig. Die Werke stammen aus der Sammlung der Österreichischen Galerie Belvedere und der Artothek des Bundes, die das Belvedere seit 2011 verwaltet.
Dynamisch statt „old school“
Sie selbst sei ja „absolut old school“ und liebe die jahrelange Gewissheit, wo in den Museen welche Werke zu finden seien, gestand Rollig. International seien jedoch Dauerausstellungen von dynamischen Sammlungspräsentationen abgelöst worden. Auch im ehemaligen 20er-Haus sei man bald zur Erkenntnis gelangt, dass die luftige, durchlässige Architektur temporäre Präsentationen geradezu herausfordere und habe schließlich den Fokus auf thematisch gestaltete Sammlungspräsentationen gelegt.
Kuratorin Luisa Ziaja hat ihre Auswahl anhand von sechs Erzählsträngen getroffen, die auch in einem Booklet näher beschrieben werden. Zeitlich startet sie nicht mit Ende des Zweiten Weltkriegs, sondern bereits früher, um das vielfach bereits widerlegte Narrativ einer „Stunde null“ nicht weiterzuschreiben. Es gehe darum, „Parallelen und Überkreuzungen, aber auch Gegenentwürfe in der Kunst seit den 1930er-Jahren greifbar zu machen“.
Ausstellungshinweis
„Die Sammlung Belvedere von Lassnig bis Knebl“. Bis 19. Februar 2023 im Belvedere21
Sechs Erzählstränge
Der Erzählstrang „An-Sammlungen und gebrochene Realitäten“ erzähle zu Beginn vom Entstehen von Sammlungen. Es folgen „Surreale Narrative“, in denen der Bogen von der Wiener Schule des Phantastischen Realismus bis Markus Schinwald geschlagen wird, und „Abstraktionen“ von Wotruba bis Zobernig und Rockenschaub. „Formen des Informellen“ findet man in Positionen von Alfons Schilling bis Elke Silvia Krystufek, „Performative Körper“ erzähle vom Einsatz des menschlichen Körpers als künstlerisches Material. „Re-Visionen“ schließlich beschäftige sich mit Um- und Neuschreibungen von Kunstgeschichtsschreibung – etwa mit Anna Artakers Serie „Unbekannte Avantgarde“.
An dieser Umschreibung und Korrektur beteiligt sich die Ausstellung, die, so Ziaja, „hoffentlich jenseits der Informationen auch eine visuelle Kraft entfaltet“. So ist der Künstlerinnenanteil etwa sehr hoch. „Die Ausstellung hat Potenzial für größere Überraschungen“, zeigte sich Belvedere-Generaldirektorin Rollig überzeugt. „Sie begegnen vielleicht Künstlerinnen und Künstlern, von denen sie noch nie gehört haben. Sie könnten aber auch überrascht feststellen, dass wir von manchen der heute führenden Künstlerinnen und Künstler keine Hauptwerke haben.“
Überraschende Konfrontationen
Tatsächlich stößt man beim ersten Rundgang auf einige überraschende Konfrontationen: Ein Porträt von Lotte Profohs-Leherb hängt neben einer rosafarbenen Puppen-Skulptur von Jakob Lena Knebl und einem Frühwerk von Christian Ludwig Attersee; eine sitzende Steinfigur von Fritz Wotruba passt wunderbar neben den „Kontaktgrill“ von Toni Schmale; die „Sekundenskulpturen“-Fotoserie von Margot Pilz aus 1979 wirkt wie der Vorläufer zu dem zwei Jahrzehnte später entstandenen „One Minute Sculpture“-Video von Erwin Wurm.
Lieselott Beschorners Rumpfpuppen hängen vis-à-vis von Arbeiten von Birgit Jürgenssen, Hermann Nitsch und Gerhard Rühm, und ein Gemälde von Friedensreich Hundertwasser bildet eine überraschende Kombination mit einer Bronze von Friedrich Kiesler und einem Meditationsstein von Karl Prantl. „Die Sammlung wird als ein dynamisches Gefüge von Konstellationen begriffen, das auf Kontinuitäten und Brüche, Relevanzen und Redundanzen hin befragt wird“, heißt es dazu. Eine Dynamik, die nicht auf die Programmierung zutrifft: Die Ausstellung ist bis 19. Februar 2023 zu sehen.