Komplexitätsforscher Peter Klimek von der MedUni Wien
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Coronavirus

Klimek traut Stufe 1 nur Minimalwirkung zu

2.624 CoV-Neuinfektionen binnen 24 Stunden, der höchste Wert seit fünf Monaten. Gleichzeitig ist Stufe 1 des Anti-Corona-Plans der Regierung in Kraft. Peter Klimek von der MedUni Wien traut diesen Maßnahmen aber nur Auswirkungen „im Millimeterbereich“ zu.

Es sei nicht davon auszugehen, dass diese neuen Maßnahmen wirklich einen nennenswerten Einfluss auf die weitere Entwicklung hätten, sagte Klimek im „Wien heute“-Gespräch. Wien habe schon früher strengere Maßnahmen als die anderen Bundesländer gehabt. „Da ist im Vergleich zu dem, was jetzt in Stufe 1 kommt, sieht man eigentlich nur Veränderungen im Millimeterbereich“, so Klimek. Dass Wien trotz schärferer Maßnahmen die höchsten Zahlen österreichweit aufweise, zeige, dass diese Maßnahmen bei der aktuellen Durchimpfungsrate in Österreich nicht ausreichen, um die Delta Variante zu kontrollieren.

„Wir sehen, dass diese Delta-Variante in den Ländern, die auf über 70 Prozent Durchimpfung der Gesamtbevölkerung gekommen sind, teilweise auch von selbst gebrochen ist. Und in den anderen Ländern hat man zur Kontaktreduktion greifen müssen“, so Klimek. Da gehe es dann wieder darum, dass man vor allem im Bereich etwa der Gastronomie ansetzt, dort, wo viele ungeimpfte Leute zusammenkommen. „Und das hat dann aber in den Ländern, die es gemacht haben, noch immer funktioniert, auch bei dieser Delta-Variante.“

Peter Klimek zur CoV-Entwicklung

Komplexitätsforscher von der MedUni Wien

„Mittelfristig eher dämpfende Wirkung“

Zur Entwicklung in den kommenden Wochen sagte Klimek, man habe jetzt in den östlichen Schulen einen Niveausprung gesehen, „das heißt, da hat man jetzt natürlich viel an bisher unerkannten Infektionen herausfischen können. Das ist gut“. Er erwartet, auch wenn da jetzt die Zahlen kurzfristig stärker gestiegen sind, mittelfristig eine eher dämpfende Wirkung.

Wirklich Sorgen bereite ihm aber die Entwicklung über die nächsten Wochen und Monate hinweg: „Wir erwarten bei dem Maßnahmenregime, das wir momentan haben, dass die Zahlen weiter steigen.“ Das würde dann wieder bedeuten, dass es mehr Fälle in den Schulen gebe, die dann auch wieder auf die Bevölkerung ausstrahlen. Da gebe es dann das Risiko, dass sich das gegenseitig hochschaukle.

Epidemiologin erwartet Verschärfungen für Ungeimpfte

Eva Schernhammer, Professorin für Epidemiologie an der MedUni Wien, hielt es am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal-Interview für möglich, dass man bei den neuen Bestimmungen für die Schule – Stichwort nur Sitznachbarn als K1 – wieder „zurückrudern“ werde müssen. Die FFP2-Maskenpflicht sei zudem eine „sehr effiziente Maßnahme“. Es brauche auch „einschneidendere Maßnahmen für Ungeimpfte, der Zeitpunkt kommt“, so die Epidemiologin. Bis Ende September sollte darüber entschieden sein.

1-G- oder 2-G-Regel sehr effektiv

Klimek sieht alles, was schon geplant ist im Stufenplan als sinnvoll an, es könne eigentlich auch nicht früh genug kommen: „Ob das dann alleine ausreicht, muss man dann schauen. Aber dafür wäre es auch gut, jetzt schon zu planen. Was machen wir, wenn wir mit diesen drei Stufen nicht auskommen?“ Als einen möglichen Hebel, der dann noch bliebe, sieht Klimek die 2-G-Regel oder die 1-G-Regel für sehr viele Bereiche.

Damit könnte noch eine epidemiologische große Wirkung entfaltet werden, auch weil dadurch die Maßnahmen am zielgerichtesten dorthin gebracht würden, wo das Infektionsgeschehen stattfindet. Es sei an allen Kennzahlen zu sehen, dass Ungeimpfte deutlich mehr zum Infektionsgeschehen beitragen als Geimpfte.

Maske und Test allein reichen nicht

Klimek verwies auf Länder, die es bereits geschafft haben, erfolgreich die Delta-Welle zu bekämpfen: Das seien doch jetzt Maßnahmen gewesen, „die größtenteils sehr viel milder und moderater waren als das, was wir in den Lockdowns im Frühjahr und Herbst 2020 gesehen haben“. Der Punkt sei: „Wir werden halt noch irgendetwas tun müssen. Und jetzt nur zu hoffen, dass das mit Maske aufsetzen und testen weggeht, wird sich nicht spielen“, so Klimek.