Die Angeklagte (R) und Anwältin Astrid Wagner vor Beginn eines Mordprozesses im Straflandesgericht Wien
APA/Herbert Neubauer
APA/Herbert Neubauer
Gericht

Mutter erstickte Kinder: Lebenslang

Auch der neu aufgerollte Prozess im Fall jener 31-Jährigen, die ihre drei Kinder erstickt haben soll, kommt zum gleichen Urteil wie im ersten Rechtsgang. Die Frau wird zu lebenslanger Haft verurteilt und in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte das Ersturteil aus formalen Gründen aufgehoben. Deshalb musste der Prozess neu durchgeführt werden. Auch am Mittwoch zeigte sich die Beschuldigte erneut geständig und gab an: „Ich wollte mit den Kindern in den Himmel gehen.“ Zur Motivlage erklärte die 32-Jährige, sie sei mit ihrer Ehe nicht zufrieden gewesen. „Es gab viel Streit über das Verhalten meines Mannes“, sagte die Beschuldigte über die Beziehung, die zuvor 13 Jahre lang harmonisch verlaufen sei.

Die Frau entwickelte Eifersuchtsfantasien. Konkret bildete sie sich ein, der Mann wolle sie durch eine Verwandte ersetzen. Eindeutige Belege dafür konnte die Angeklagte nicht vorbringen. „Ich hatte Angst, dass diese Frau mir meine Kinder wegnimmt.“ Deshalb habe sie ihrem Leben ein Ende setzen und ihre Kinder nicht zurücklassen wollen.

„Schreckliche Taten“

Der Wahrspruch der Geschworenen fiel einstimmig aus. Mildernd wurden das reumütige Geständnis, der bisher ordentliche Lebenswandel und die psychische Beeinträchtigung gewertet. Erschwerend waren das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen, das Ausnutzen der Hilflosigkeit der Opfer, die brutale Vorgehensweise und dass die Tat einer Volljährigen zum Nachteil von Minderjährigen geschehen ist. Der Richter bezeichnete die Tötung der Mädchen und des Buben als „derartig schreckliche Taten“ ohne nachvollziehbarem Grund, den Kindern das Leben zu nehmen.

Die Anwältin der Frau meldete im Namen ihrer Mandantin Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Wagner führte bei der Verhandlung ins Treffen, ihre Mandantin sei nicht zurechnungsfähig und damit nicht schuldfähig. Die Rechtsvertreterin kritisierte nach der Urteilsverkündung, dass die Geschworenen blindlings den Schlussfolgerungen des Gutachters gefolgt wären, anstatt den Sachverhalt aus eigenem Rechtsempfinden zu beurteilen. Die Beurteilung sei eine Rechtsfrage und nicht eine medizinische, meinte sie.

Betretungsverbot für Ehemann

Die Nepalesin war 2010 mit einem Studentenvisum nach Österreich gekommen, um eine arrangierte Ehe einzugehen. Aus ihren Plänen, in Wien ein Hochschulstudium fortzusetzen – an der Universität in Kathmandu hatte die Frau Mathematik, Physik und Chemie studiert – wurde nichts, sie wurde gleich zwei Monate später schwanger. Die Ehefrau blieb im Haushalt und kümmerte sich zunächst um ihre Töchter und dann auch um den im Februar 2020 zur Welt gekommenen Buben.

Am 30. September 2020 kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung, bei der sich das Ehepaar gegenseitig Verletzungen zufügte. Der Ehemann wurde von der Polizei weggewiesen und mit einem 14-tägigen Betretungsverbot belegt. Am Tag vor der inkriminierten Tat kehrte er zurück in die Wohnung.

Dort wurde er von seiner Ehefrau umgehend verdächtigt, er habe sich währenddessen eine neue Frau gesucht, werde sie verlassen und die drei Kinder mitnehmen. Es setzte neuerlich ein Streit ein, der Mann verließ die Wohnung, um bei einem Freund zu übernachten. Sie habe gedacht, dass ihr eine andere Frau die Kinder wegnimmt und diese schlecht behandeln wird, so die Angeklagte.

„Wollte mit den Kindern in den Himmel gehen“

In dieser Situation entwickelte die 32-Jährige laut Staatsanwältin eine fürchterliche Angst, ihre Kinder zu verlieren. Sie habe daher in der Nacht „den Entschluss gefasst, gemeinsam mit ihren Kindern in den Himmel zu gehen“, sagte die Angeklagte. „Ich hatte genug von dieser Welt und hab’ niemandem mehr vertraut“, sagte die 32-Jährige. „Ich wollte sterben und hab’ an meine Kinder gedacht und wollte sie mitnehmen“, sagte sie. „Warum?“, fragte der Richter. „Weil ich die Kinder liebe“, meinte die Angeklagte. „Darum töten Sie Ihre Kinder, weil Sie sie lieben, das versteh’ ich nicht“, sagte der Vorsitzende des Schwurgerichts. „Ich wollte mit ihnen in den Himmel gehen“, meinte die 32-Jährige erneut. Nachdem sie die Kinder mit dem Polster erstickt hatte, versuchte sie sich das Leben zu nehmen.

Unterbringung in einer Anstalt

Der beigezogene psychiatrische Sachverständige hält die Angeklagte grundsätzlich für zurechnungsfähig, allerdings für „hochgradig selbstmordgefährdet“, wie er in der Verhandlung dargelegte. Nach ihrer Festnahme habe sie Justizwachebeamte gebeten, ihr dabei behilflich zu sein, ihrem Leben ein Ende zu setzen, gab er an. Sie sei seit ihrer Inhaftierung sofort behandelt worden. Dabei sei eine Depression diagnostiziert worden.

Hilfe in Krisensituationen:

  • Telefonseelsorge unter 142
  • Psychosozialer Dienst unter 01-31330
  • Kriseninterventionszentrum unter 01-4069595

Die Frau habe den Unrechtsgehalt ihrer Tat erkannt, allerdings war die Steuerungsfähigkeit durch die Krankheit eingeschränkt, aber nicht aufgehoben, erklärte der Gutachter. Er ist weiters zum Schluss gekommen, dass von der Frau eine „große Gefahr“ ausgeht, die „Tötungsdelikte in zukünftigen familiären Situationen“ bewirken könnte. Aufgrund dessen hat die Anklagebehörde zusätzlich zur Verurteilung eine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt (Paragraf 21 Absatz 2 StGB).

Neuer Prozess aus formalen Gründen

Im März war die Frau bereits zu lebenslanger Haft sowie Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verurteilt worden. Der Richterspruch wurde jedoch aufgehoben, nachdem ihre Anwältin Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt hatte. Da die Obfrau der Geschworenen die Fragen, die die Laienrichter bei ihren Beratungen über die Schuldfrage zu beantworten hatten, vor der Verkündung des Wahrspruchs nicht wörtlich verlesen hatte, kam diese Unterlassung einem Nichtigkeitsgrund gleich, der für den OGH zwingend die Aufhebung des Urteils des Schwurgerichts zur Folge hatte.

Hilfe bei Suizid-Gedanken

Wenn Lebenskrisen auftreten oder wenn sich eine psychische Erkrankung verschlechtert, können Betroffene möglicherweise den Gedanken entwickeln, nicht mehr leben zu wollen oder sie denken daran, sich etwas anzutun. Wenn Sie Suizidgedanken haben, wenden Sie sich an eines der folgenden Angebote: