Frau hat Schleim über die Hälfte ihres Gesichts, hält ihn mit der Hand
TQW/ Katarina Soskic
TQW/ Katarina Soskic
Kultur

Schleim und Stunts: Tanzquartier wird 20

Das Tanzquartier Wien wird diesen Herbst 20 Jahre alt. Die Jubiläumssaison eröffnet man deshalb mit einem sechswöchigen Themenschwerpunkt, der sich „Past/Present/Future“ widmet. Bei den Performances geht es unter anderem um Schleim, Hypnose und Stunts.

„Es ist eine Bestandsaufnahme der Gegenwart, mit feinen Linien in die Vergangenheit, aber auch Blicken in die Zukunft“, erklärte die künstlerische Leiterin Bettina Kogler bei einer Pressekonferenz. Angesichts des vielseitigen künstlerischen Schaffens in den vergangenen beiden Jahrzehnten wäre ein retrospektiver Zugang nicht zielführend, „weil wir dem nicht gerecht werden können“, unterstrich Kogler. Stattdessen habe man sich entschieden, zum 20er eine Mischung aus Uraufführungen heimischer Künstlerinnen und Künstler sowie internationaler Positionen zu zeigen. „20 Jahre sind ein Grund zur Freude, aber auch, um kurz innezuhalten.“

Tanzquartier
TQW/ Paul Bauer
Vielseitige Produktionen zeigt das TQW in seinem Jubeljahr

Göttliche Komödie motorisiert

Den Auftakt markiert am 8. Oktober „BRUNO“ von Alix Eynaudi. Die in Wien lebende Künstlerin hat das Stück nach dem ebenfalls involvierten Lichtdesigner Bruno Pocheron benannt. „Ich wollte wissen, was mit dem Namen passiert, wenn er von einer Funktion zu einem Stücktitel wird“, sagte Eynaudi. Im Zentrum steht dabei eine eigens geschaffene Skulptur, die Licht und Sound gleichermaßen erzeugt. „Wir haben versucht, gemeinsam einen Raum zu erschaffen, in dem Tanz, Choreografie und theatrale Elemente stattfinden können“, so Pocheron.

Ein weiteres Highlight bietet Florentina Holzinger ab 22. Oktober, wenn sie in der Halle E des Museumsquartiers „A Divine Comedy“ serviert und dafür mehr als 20 Performerinnen in die Schlacht wirft. Wie vom Tanz-Enfant-terrible mittlerweile gewöhnt, werden in ihrer Bearbeitung der „Göttlichen Komödie“ Stunts und motorisierte Gefährte eine Rolle spielen, aber auch Hypnose findet Eingang in diese „Reise der Selbstfindung“, wie das Stück beschrieben wird.

Tänzer im Nebel
TQW/ Jezebel fotografie bas de brouwer

Doris Uhlich ist wiederum mit einem neuen Gruppenstück vertreten und nimmt sich einer ganz besonderen Substanz an: In „Gootopia“ (ab 15.10.) geht es immerhin um Schleim. „Ich finde es spannend, dass Schleim sehr unterschiedliche Reaktionen im Menschen auslöst“, sagte Uhlich. „In den Recherchen wurde mir klar, dass er ein lebensnotwendiger Stoff ist. Wir Menschen sind ja eigentlich feuchte Wesen“, verwies sie nicht zuletzt auf die Geburtssituation. In ihrer Arbeit werde das Fließen zum gestalterischen Element. Alexander Gottfarb setzt seine „Encounters“-Reihe, bei der Tanz an Orten des Arbeitens stattfindet, fort und bezieht dafür ab 14. Oktober die Büros des TQW.

Wiedersehen mit Philipp Gehmacher

Einer, der schon bei der Eröffnung vor 20 Jahren mit von der Partie war, ist Philipp Gehmacher. Kein Wunder also, dass das TQW ihn nun auch zum Jubiläum eingeladen hat. „In its Entirety“ (ab 5.11.) ziehe Vergangenes und Zukünftiges heran, bringt aber vor allem eine Darbietung auf die Bühne, die sich aller Elemente des Körpers, von Stimme bis zur Bewegung, bedient. Ein Solo gibt es von Michael Turinsky, dessen „Precarious Moves“ ab 12. November am Programm stehen. Im Zentrum geht es laut Pressetext um „die Befragung sowohl persönlicher als auch kollektiver Bedürfnisse und Notwendigkeiten in Bezug auf Mobilität und Mobilisierung“.

Ergänzt wird der Themenschwerpunkt von einer Theoriereihe, bei der Tanz mit den Begriffen „City“ (29.10.), „Future“ (5.11.) und „Uprising“ (12.11.) in Verbindung gebracht wird. Zudem gibt es auch in der kommenden Saison Kooperationen mit anderen Häusern und Festivals, darunter der Kunsthalle Wien (Manuel Pelmuş setzt sich mit einer Sammlung von Gesten auseinander), dem Belvedere 21, den Wiener Festwochen oder Wien Modern.

Auslastung bei fast 93 Prozent

In der abgelaufenen, stark von der Panmdemie beeinträchtigen Saison gab es 57 Produktionen am TQW, wovon bis auf vier alle online oder live vor Publikum gezeigt wurden. Der Rest wurde fertig geprobt und dokumentiert, Aufführungen sollen in den kommenden Monaten nachgeholt werden. Die Gesamtauslastung der Live-Performances lag bei 92,8 Prozent.

Barbereich
TQW/ Paul Bauer
Seit seinem Bestehen gab es 836.000 Besuche

Die diversen Angebote des TQW von Oktober 2020 bis Juni 2021 haben insgesamt 30.750 Besucherinnen und Besucher in Anspruch genommen (live und online). Und auch zur 20-jährigen Geschichte gab es Zahlen: Seit der Eröffnung durften 863.000 Besucher begrüßt werden, 393.000 davon bei Tanz- und Performanceveranstaltungen. Ab dem kommenden Jahr erhält das TQW eine neue Vierjahresförderung, die eine Subventionserhöhung von 250.000 Euro beinhaltet. Die Gesamtjahresförderung seitens der Stadt Wien beträgt dann 3,2 Mio. Euro.