Österreichische Nationalbibliothek
orf | pavla rašnerová
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Kultur

Nationalbibliothek verpasst sich „Vision 2035“

Die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) hat am Donnerstag ihre „Vision 2035“ vorgestellt. Ziel sei „die Kombination der Vorteile aus der analogen und der digitalen Welt“, sagte ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger.

Visionen sind etwas anderes als Umsetzung. Das erfährt man auch in der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB). Hatte die 2012 vorgelegte „Vision 2025“ noch davon gesprochen, künftig bis auf wenige Ausnahmen nur noch E-Books archivieren zu wollen, ist in der „Vision 2035“ davon keine Rede mehr. Die seinerzeitige Ankündigung, eine Novelle des Mediengesetzes zur Streichung der Pflicht zur physischen Sammlung von Neuerscheinungen anzustreben, habe „einen Aufschrei verursacht“, erklärte Rachinger.

Tiefspeicher hat sich erübrigt

„Wir haben erkennen müssen, dass das physische Buch für die Menschen einen hohen Stellenwert hat. Daraus haben wir gelernt und das herausgenommen – weil wir ja nicht gegen die Menschen agieren wollen.“ Auch der damals dringend geforderte Tiefspeicher unter dem Heldenplatz hat sich erübrigt. Man habe mit dem im Jänner in Betrieb genommenen Bücherspeicher im niederösterreichischen Haringsee stattdessen „Plan B“ verwirklicht. Die dortigen 5,4 Regalkilometer würden aber auch noch bis 2035 genug Platz bieten, so die seit 2001 amtierende ÖNB-Chefin, deren Vertrag jüngst bis Ende 2026 verlängert wurde.

Dass das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) in der „Vision 2035“ keinen Platz findet, erklärte Rachinger damit, dass man sich auf digitale Visionen konzentriert habe. Das derzeit in der Neuen Burg am Heldenplatz untergebrachte und der Nationalbibliothek strukturell angegliederte hdgö habe sich „großartig etabliert. Wir haben sicher erreicht, dass es nicht zugesperrt wird. Dieses Museum wird es selbstverständlich auch 2035 geben.“

Die Entscheidung, wie die von Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) angestrebte „gute und langfristige Lösung“ für das Museum aussehen soll, steht freilich weiterhin aus.

Vier Schwerpunkte

„Die Österreichische Nationalbibliothek der Zukunft ist ein realer und ein virtueller Treffpunkt für alle Menschen, die mehr wissen wollen“, fasste Rachinger die neue Vision zusammen, die „der Kompass sein wird, an dem wir uns orientieren“. Das Leitmotiv „Wir öffnen Räume“ sei physisch, digital und ideell zu verstehen.

Die von den Hauptabteilungsleitern Christa Müller, Michaela Mayr, Max Kaiser und Margot Werner vorgestellten vier Schwerpunkte nehmen Themen wie Diversity, Gleichbehandlung, Migration, nachhaltiges Wirtschaften, sorgsamer Umgang mit Umweltressourcen und Klimaschutz mit auf. Es gehe darum, „wie das Wissen für die Welt von morgen aufbereitet sein wird“. Dazu beschäftige man sich intensiv mit neuen Zugängen zu den Beständen, neuen Formen des Lernens, neuen Möglichkeiten der Forschung und neuem Zusammenarbeiten.

Daten-Services sollen ausgebaut werden

Man will noch stärker als bisher auf Citizen Science setzen und die Digitalisierung der Bestände vorantreiben. Dieser Tage starten die Bauarbeiten zu einem neuen Schulungszentrum im Tiefparterre. Für die wissenschaftliche Nutzung der Bestände sollen die Daten-Services wesentlich ausgebaut werden, um „Distant Reading“ und „Machine Learning“ zu unterstützen. Es gebe Fragestellungen, die ohne Unterstützung von Computern nicht beantwortet werden könnten, sagte Kaiser: „Data Science wird immer wichtiger. Wir wollen den Rohstoff dafür bestmöglich zur Verfügung stellen.“