Baustellenbesetzung in Aspern
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Verkehr

„Lobauer Erklärung“ verhärtet die Fronten

Gegner des Projekts haben am Dienstag eine „Lobauer Erklärung“ präsentiert, ein Manifest gegen den Bau des Lobautunnels. Doch die Stadt will daran festhalten. Politikberater Thomas Hofer sieht den Druck auf die Stadt jetzt größer werdend.

Die Rede ist vom „teuersten und umweltschädlichsten Autobahnvorhaben Österreichs“. Es bringe keine Verkehrsentlastung. „Diese findet nur in politischen Sonntagsreden statt“, hieß es in dem Papier. Vorgestellt wurde die Erklärung in einer von den NGOs Virus, System Change not Climate Change und Fridays for Future veranstalteten Pressekonferenz. Das Podium gestaltete sich dabei generationenübergreifend. Auch der ehemalige Hainburg-Aktivist Bernd Lötsch, der Verkehrswissenschafter Hermann Knoflacher und die Klimawissenschafterin Helga Kromp-Kolb waren mit dabei.

Insgesamt unterstützen mehr als 40 Organisationen die Anti-Tunnel-Initiative. „Es ist wirklich Feuer am Dach“, zeigte sich Kromp-Kolb überzeugt. In Österreich sei es nicht möglich gewesen, eine Reduktion der Treibhausgase zu erwirken. Sie urgierte grundlegende Änderungen in der Verkehrspolitik, um den nötigen Wandel herbeizuführen. Verkehrsplaner Knoflacher erinnerte daran, dass die S1 viele Jahre lang kein Thema mehr war und diese erst vor rund 20 Jahren wieder „aufgetaucht“ sei. Er riet dazu, beim Verzicht zu bleiben. „Projekte dieser Art passen nicht in die Zukunft.“

Lobautunnelgegner mit eigener „Erklärung“

In Wien haben am Dienstag Umwelt- und Klimaorganisationen eine „Lobauer Erklärung“ präsentiert – die als „Manifest“ gegen den Bau der geplanten Nordostumfahrung samt Lobautunnel gedacht ist.

Mehr Verkehr befürchtet

Barbara Laa von der Technischen Universität Wien warnte davor, dass die geplanten Projekte nicht weniger Verkehr bringen, sondern eine Zunahme zu befürchten sei: „Sie sorgen nicht für eine Entlastung.“ Wichtig wäre stattdessen, den öffentlichen Verkehr in der Donaustadt auszubauen. Hingewiesen wird in dem Manifest darauf, dass auch Untersuchungen der ASFINAG zeigen würden, dass die Autobahn zu mehr Gesamtverkehr auch auf dem bestehenden Straßennetz führen würde.

Auch in der Erklärung werden die Pläne zerpflückt: „Die Lobau-Autobahn (S1 Schwechat Süßenbrunn samt Lobautunnel) ist das größte, teuerste und umweltschädlichste Autobahnbauvorhaben Österreichs. Dies gilt umso mehr, wenn die Satellitenprojekte ‚S8 Marchfeldschnellstraße‘, ‚S1 Spange Seestadt‘ und die Stadtautobahn ‚Stadtstraße Aspern‘ hinzugezählt werden.“ Wobei anzumerken ist, dass die Stadtstraße Aspern nicht als Autobahn geplant ist, sondern als vierspurige Gemeindestraße, wie Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) im „Kurier“ ausführte.

Grafik Lobautunnel
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Das Projekt sei ein Symbol dafür, wie es mit einer verfehlten Umweltpolitik nicht mehr weitergehen könne – ähnlich wie Hainburg oder Zwentendorf: „Die Lobau-Autobahn ist ein Musterbeispiel fehlgeleiteter und schädlicher Raumentwicklung. Sie befeuert die Zersiedelung und führt in Folge zu direkter und indirekter Versiegelung wertvoller Bodenflächen und gefährdet die Artenvielfalt.“ Unter Lärm und Verschmutung würden vor allem finanziell benachteiligte Personen leiden. Auch die Umwelt wäre massiv betroffen. Das Grundwasser sei gefährdet, ebenso wie die Trinkwasserversorgung sowie das Auen-Ökosystem.

Stadt beharrt auf Projekt, Räumung kein Thema

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) betonte einmal mehr, die Nordost-Umfahrung inklusive Lobautunnel sei für Wien notwendig und unverzichtbar. Man harre der Entscheidung der Umweltministerin, die das Projekt ja evaluieren läßt. Aktivisten der Projektgegner halten indes weiter Baustellen besetzt. Sie wollen ausharren, bis die Politik sich bewegt und über ein Ende des Projekts nachdenkt. Eine gewaltsame Räumung ist jedenfalls kein Thema für die Stadt, wie auch Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) schon zuletzt klarstellte – wohl auch um umschöne Bilder eines Polizeieinsatzes zu vermeiden.

„Situation bringt Ludwig und SPÖ unter Druck“

Die Wiener SPÖ und Bürgermeister Ludwig seien in eine politisch heikle Situation geraten: Die grüne Umweltministerin, die den den Lobautunnel nie haben wollte, ihn möglicherweise aber durchsetzen muss, und auf der anderen Seite der rote Bürgermeister, der den Tunnel immer wollte und sich nun massiven Protesten gegenübersieht. Das bringe die Stadt unter Druck, stellte Politikberater Thomas Hofer im „Wien heute“-Gespräch klar. Neben den Protesten durch Umweltorganisationen seien mit Grünen und NEOS der frühere und der aktuelle Koalitionspartner der SPÖ in Wien auch nicht gerade Befürworter des Projekts.

Es wäre daher aus Sicht des Bürgermeister notwendig, „dass man da jetzt irgendwann einmal dieses lange versprochene – auch in für ihn und die SPÖ entscheidenden Bezirken – Projekt endlich angeht“. Hofer glaubt, dass die Politik der Deeskalation durch die Stadtregierung strategisch richtig gewählt sei. Würde man Bilder produzieren, die zeigen, wie Menschen weggetragen werden, bekäme man vielleicht wirklich ein zweites Hainburg. So hoch treiben wolle man das Thema aber wohl nicht, so Hofer.

Die Stadt sitzt zwischen zwei Stühlen

Eine Absage des Projekts wäre für die Stadt aus mehreren Gründen problematisch, so Hofer weiter. Lange angekündigt, verknüpft mit Versprechungen an diverse Stadtteile, und dann nicht realisiert, „das ist schon tatsächlich auch ein Absturz“. Auf der anderen Seite komme aber auch das Thema Klima ganz massiv und das bringe den Aktivisten „einiges an Rückenwind (…) Also da gibt’s zwei Prinzipien, die einfach aufeinanderprallen“, sagte Hofer.