Betriebsversammlung der Kindergartenträgerorganisationen vida und GPA
APA/HERBERT PFARRHOFER
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Chronik

„Deutliches Zeichen“ bei Kindergartendemo

Die Wiener Privatkindergärten haben bei Betriebsversammlungen am Dienstag bessere Bedingungen und mehr Personal gefordert. Dass dafür erstmals Kindergärten geschlossen waren, wertete eine Expertin im „Wien heute“-Gespräch als ein „deutliches Zeichen“.

Die Privatkindergärten waren bis auf Betriebskindergärten bis 12.30 Uhr geschlossen. Auf der Wiese vor der Votivkirche wimmelte es dafür vor orangefarbenen Warnwesten, viele mit der Aufschrift „Es reicht“. Mit einem Konzert aus Trillerpfeifen und Tröten, Rasseln und Ratschen machten sich die Angestellten der Privatkindergärten – von den SPÖ-nahen Kinderfreunden über Kinder in Wien (KIWI) bis zur St. Nikolaus-Stiftung – gemeinsam mit der Gewerkschaft GPA für ihre Forderungen stark. Auf Transparenten war unter anderem zu lesen „schluss mit Lustig“ oder „Kinder brauchen Knete“.

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Kinder auf gelber Holzgiraffe mit DEmo-Schild „Mir reicht’s“
APA/Herbert Pfarrhofer
Kindergarten-Demo
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Kindergarten-Demo
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Kindergarten-Demo
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Kindergarten-Demo
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Kindergarten-Demo
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„Das ist ein historischer Moment, Schluss ist mit den braven Tanten“, rief Rednerin Karin Wilfingseder von der Gewerkschaft gpa in die Menge. Zum ersten Mal würden Betriebsversammlungen während der Arbeitszeit abgehalten, man lasse sich nicht mehr entlang der Trägerorganisationen auseinanderdividieren. Schon für 2020 seien Betriebsversammlungen im öffentlichen Bereich geplant gewesen, die Pandemie habe das letztlich verhindert: „Und wieder hat die Politik uns im Stich gelassen.“

Nur den aktuellen Zusammenschlüssen und der Mobilisierung sei es zu verdanken, dass vergangene Woche eine Neuverhandlung der 15a-Vereinbarungen mit den Ländern zu den Kindergärten angekündigt worden sei. Zudem kündigte die Stadt am Montag die Verdoppelung der Assistenzstunden in den Kindergartengruppen von 20 auf 40 Stunden ab September 2022 an. Doch das sei nicht genug, „wir haben noch viel Eskalationspotenzial“. Diese Betriebsversammlungen seien „nur unterbrochen“, wurde betont. Der Protest gehe weiter.

Echte Veränderungen bräuchten große Maßnahmen

Es sei fein, dass ab September nächsten Jahres die Assistenzstunden in den Gruppen von 20 auf 40 verdoppelt werden sollen, sagte Viktoria Miffek, Geschäftsführerin des Vereins zur Förderung der Elementarbildung, im „Wien heute“-Gespräch. Aber das sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es handle sich ja noch immer um Assistenzkräfte, die oft gar nicht oder nur geringfügig ausgebildet seien und nicht um Pädagoginnen und Pädagogen, die einfach für die Kinder eine ganz andere Qualität in der Kindergartengruppe bieten könnten.

Für eine große Verbesserung müssen laut Miffek die Rahmenbedingungen geändert werden: kleinere Gruppen, weniger Kinder pro Gruppe. So könnte eine Pädagogin und eine Assistentin mit den Kindern in eine Beziehung treten – nur so könne ein Bildungsprozess gelingen. Dazu brauche es aber auch mittelbare pädagogische Zeit: „Das heißt Vorbereitungszeit, Nachbereitungszeit, Zeit für Elterngespräche. Das ist alles jetzt oft in sehr geringem Ausmaß oder halt noch zusätzlich neben der Arbeit im Kinderdienst.“ Und nicht zuletzt wäre eine Gehaltsanpassung an das Schema der Volksschullehrer angebracht.

Mit einem Prozent des BIP nach skandinavischem Vorbild liegt laut Miffek die finanzielle Forderung auf dem Tisch. Zahlreiche Experten würden die positiven Auswirkungen auf die Gesamtgesellschaft betonen, würde dieser Geldbetrag in Kindergärten investiert. Die Diskussion darüber sei schon lange am Laufen, Bund und Länder müssten gemeinsam die Qualität in den elementaren Bildungseinrichtungen heben. Es sei absolut ein Zeichen, wenn Pädagogen, die total bei den Kindern seien und wüssten, was geschlossene Kindergärten für Eltern und Kinder bedeuten, während der Arbeitszeit auf die Straße gehen.

Hohe Personalfluktuation

Schon seit Jahren wird in den elementarpädagogischen Bildungseinrichtungen über schwierige Rahmenbedingungen geklagt. Und das, wie die Rednerinnen bei der Demonstration betonten, bundesweit, auch wenn die Kindergärten Ländersache sind und sich die Regelungen dementsprechend von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Der Tenor: Die Gruppen sind zu groß und zu wenige Pädagoginnen und Pädagogen pro Kind vorgesehen, um die Kinder nicht nur zu beaufsichtigen, sondern tatsächlich bei ihren Bildungsprozessen zu begleiten.

In Wien fehle zudem eine bezahlte Vorbereitungszeit der Pädagoginnen. Die Folge: Obwohl eigentlich genug junge Menschen die Ausbildung abschließen, um im Kindergarten zu arbeiten, geht ein guter Teil gar nicht in den Beruf oder verlässt ihn schon bald wieder.

CoV als Zusatzbelastung: „Brauchen Verschnaufpause“

Es gibt zu wenig Personal, gefordert wird deshalb auch eine Ausbildungsoffensive. Dazu kommt, dass Mitarbeiterinnen in Wien in privaten Kindergärten deutlich weniger verdienen als in städtischen, knapp 400 Euro brutto beträgt der Unterschied laut KIWI beim Einstiegsgehalt. Und auch die Pandemie war mehrfach Thema: „Wir brauchen eine Verschnaufpause“, hieß es etwa auf Plakaten. Die zusätzlichen Aufgaben wie ständiges Desinfizieren der Gruppenräume etc. seien eine zusätzliche Belastung für das ohnehin schon geforderte Personal.

Am Donnerstag gehen die Proteste weiter: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der städtischen Kindergärten wollen auf dem Minoritenplatz demonstrieren. Die Kindergärten bleiben aber geöffnet. Die Gewerkschafter wollen ein einheitliches Bundesrahmengesetz in ganz Österreich, derzeit sind Kindergärten Ländersache. Außerdem im Forderungskatalog sind mehr Sicherheit, eine Anhebung der Ausgaben für den elementaren Bildungsbereich auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), bessere Rahmenbedingungen und der Start einer Ausbildungsoffensive für die stark von Personalmangel betroffenen Kindergärten.

„Politik muss handeln“

Der Mangel an Fachkräften dürfe nicht weitergehen, die Politik müsse endlich handeln, sagte am Dienstag Nico Etschberger, Salzburger Sprecher und einer der wenigen Männer in dieser Berufsgruppe der Elementarpädagogik – mehr dazu in Kindergärten: Fachleute fordern mehr Personal (salzburg.ORF.at, 12.10.2021). Auch eine Kärntner Umfrage in privaten Kinderbetreuungseinrichtungen zeigt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Belastbarkeitsgrenze sind. Viele denken nach nur kurzer Berufslaufbahn wieder ans Aufhören – mehr dazu in Kindergärtnerinnen fordern Verbesserung (kaernten.ORF.at; 12.10.2021).