Schauspieler:innen stehen auf einer Bühne
Jan Frankl
Jan Frankl
Kultur

Prachtbände zur Geschichte der „Josefstadt“

In zwei Büchern widmet sich der Kunsthistoriker Robert Stalla der Geschichte der „Josefstadt“ – womit nicht der Bezirk, sondern das Theater gemeint ist. Schon die Eröffnung ist ein typisch österreichischer Beginn.

Eröffnet wurde das „Schauspielhaus in der Josephstadt“ mit dem Lustspiel „Liebe und Koketterie“, aber ohne Genehmigung. Die Behörde stellte Wochen später verblüfft fest, „dass dieses Theater nicht nur schon vollkommen erbauet, sondern auch in solchen schon würklich Schauspiele aufgeführet worden seyen“. Man arrangierte sich und erteilte Ende 1788 eben nachträglich den behördlichen Segen.

Verwinkelt wie das Gebäude

Details wie diese gibt es in einem neuen Buch über das Theater in der Josefstadt zuhauf. „1788 von dem Schauspieler Karl Mayer als schlichte Vorstadtbühne gegründet und 1822 durch einen hochgelobten, in der Folge mehrfach veränderten Neubau nach den Plänen Josef Kornhäusels ersetzt, gilt es als eines der ältesten durchgehend bespielten Häuser im deutschen Sprachraum und als eine der schönsten Spielstätten Europas“, fasst Robert Stalla zusammen.

Zwei Bücher über das Theater in der Josefstadt
Theater in der Josefstadt
Die Bücher werden am Sonntag in einer Matinee präsentiert

Fünf Jahre lang hat der Kunsthistoriker, der seit 2003 den Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der TU Wien innehat, die Baugeschichte des Theaters erforscht, die ebenso verwinkelt und verschachtelt ist wie der bauliche Komplex, bei dem sich von Anfang an das eigentliche Theater erst im Hinterhof entfaltete.

Zwischen Vorstadt- und Bürgertheater

Die zwei reich illustrierten Bände, die am Sonntag bei einer Matinée vorgestellt werden, sind eine Fundgrube für Theater- und Architekturinteressierte, schon alleine wegen der vielen abgedruckten Originalpläne und am Computer neu gezeichneten 3-D-Rekonstruktionen. In den Baulichkeiten spiegelt sich auch das ökonomische und kulturpolitische Auf und Ab wider: Im Anspruch zwischen Vorstadt- und Bürgertheater wechselnd, jedenfalls aber als privatwirtschaftlich geführte Alternative zum Hoftheater, wirkt der Versuch immer wieder geradezu verzweifelt, der Verbindung aus Unterhaltung, Kunst und Geschäft auf engstem Raum eine adäquate bauliche Hülle zu schaffen.

Kein Wunder, dass immer wieder nach Ausweich- und Zusatzquartieren gesucht wurde. Stalla hat dankenswerterweise sein Projekt auch auf die vielen gescheiterten oder nur kurzfristig realisierten Neubauvorhaben und Dependancen des Theaters ausgeweitet, zusätzlich Konkurrenz und Vorbilder miteinbezogen und damit viele Facetten der Theaterstadt Wien dem Vergessen entrissen.

Buchhinweis

Robert Stalla: „Theater in der Josefstadt 1788 – 2030. Architektur, Geschichte, Kultur“, Hirmer Verlag, Zwei Bände, 640 Seiten, 495 Abbildungen in Farbe, 128 Euro; Buchpräsentation: 17.10., 11 Uhr, Theater in der Josefstadt

Eine „Kulturgeschichte“ des Hauses

Das ursprüngliche Forschungs- und Buchprojekt erfuhr aber noch eine Erweiterung: Auf Drängen von Direktion und Stiftungsvorstand wurde dem baugeschichtlichen Schwerpunkt eine Auseinandersetzung auch mit den ökonomischen und künstlerischen Aspekten hinzugefügt. „Stand am Beginn der Forschungsarbeit das Ansinnen, die Architekturgeschichte des Theaters von seiner Gründung 1788 bis in die Gegenwart detailliert darzustellen, wurde schließlich eine Kulturgeschichte des Hauses daraus“, so Stalla.

Robert Stalla
Markus Gesierich
Stalla arbeitete fünf Jahre lang an dem Projekt

„Dafür musste eine ungeheure Fülle des in weiten Teilen neu recherchierten Materials analysiert und bewertet werden“, schreibt Günter Rhomberg, der Vorsitzende der Theater in der Josefstadt-Privatstiftung, der als Herausgeber der zwei Bände fungiert. „Diese nun vorliegende Publikation versteht sich nicht nur als wichtiges Dokument zur Geschichte des Hauses, sondern auch als Beitrag zur Theatergeschichte Wiens. Ebenso eröffnet sie neue Perspektiven auf die Kultur der Stadt, ja des ganzen Landes.“

Revolutionäre und Geschäftemacher

Somit werden die detailreich analysierten baulichen Hüllen auch innerhalb der Buchdeckel mit Leben gefüllt – nicht nur mit vielen schönen Architektur- und Aufführungsfotos, Plakaten oder Programmzetteln, sondern mit Erinnerungen an geniale Theaterproduzenten wie Josef Jarno, der ab 1899 in den 24 Jahren seiner Direktion die Wandlung des Hauses vom „Vergnügungsetablissement“ zum „Kunstinstitut“ energisch vorantrieb, Theaterrevolutionäre wie Max Reinhardt oder windige Geschäftemacher wie Camillo Castiglioni, die über nahezu unbegrenzte Mitteln zu verfügen schienen.

Und natürlich kommen auch die vielen Jahre unter dem jetzigen Direktor Herbert Föttinger nicht zu kurz, der seit 2006 das Haus nicht nur künstlerisch, sondern auch baulich weiterentwickelte. So kann das Buch als große, prachtvolle Illustration seines Leitspruchs gelten: „Die Tradition im Griff, die Zukunft im Auge“.