Chronik

Freispruch für Ex-Spitzenbeamten

Ein Ex-Spitzenbeamter des Innenministeriums ist am Freitag am Wiener Landesgericht vom Verdacht des Geheimnisverrats freigesprochen worden. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Beamte machte unter Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) Karriere.

Ein Schöffensenat kam zum Schluss, dass weder der inkriminierte Amtsmissbrauch noch die angebliche Verletzung des Amtsgeheimnisses nachweisbar waren. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab. Er hatte dem Beamten vorgeworfen, dem damaligen FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus und einem Online-Medium geheime Informationen zugespielt zu haben.

Angeklagter im Beschwerdemanagement

Der Beamte hatte sich Ende 2018 nach einem Überfall auf einen Baumanager aus dem polizeiinternen Protokollsystem den aktuellen Ermittlungsstand zu diesem Fall beschaffen lassen. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft war er dazu nicht berechtigt, da kein dienstliches Interesse vorlag.

Dem widersprach am Ende jedoch das Gericht: Der Überfallene hatte sich im Innenministerium über die in seinen Augen schleppenden Ermittlungen beschwert, der Beamte sei im Innenressort fürs Beschwerdemanagement zuständig gewesen und habe insofern seine Aufgaben erfüllt.

Keine Preisgabe von Polizeiinterna

Der in der Baubranche tätige Geschäftsmann hatte sich auch bei Gudenus beklagt, der sich wiederum an den Angeklagten wandte. Nach Ansicht des Gerichts war der Zuruf des Ex-FPÖ-Politikers aber nicht ausschlaggebend dafür, dass der Angeklagte die Beschwerde behandelte. In diesem Anklagepunkt sei daher „eindeutig mit Freispruch vorzugehen“, stellte die vorsitzende Richterin klar.

Die Information an Gudenus, dass bei den Ermittlungen zum Überfall DNA-Spuren gefunden wurden, wurde dem Beamten vom Gericht nicht als Preisgabe von der Amtsverschwiegenheit unterliegenden Polizeiinterna ausgelegt.

Bericht über Sicherheitslücken

Nicht ganz so klar war die Sache beim zweiten Anklagefaktum, das eine Veröffentlichung eines Online-Mediums betraf. Die Plattform berichtete im September 2019 – die ÖVP-FPÖ-Koalition war wenige Monate zuvor in die Brüche gegangen – von Sicherheitslücken im Innenministerium.

Die mit der Wartung der Computersysteme im Innenministerium betraute Firma habe laufend Zugriffe auf Datenbanken gehabt, ohne dass diese Zugriffe protokolliert wurden, hieß es sinngemäß. Die Online-Plattform machte in diesem Kontext der Amtsverschwiegenheit unterliegende Unterlagen, darunter Teile des elektronischen Akts (ELAK) publik.

Textnachrichten an Gudenus als Indiz

Der Staatsanwalt gab sich überzeugt, dass der Angeklagte diese nach außen gespielt hatte. Der Beamte – er arbeitet mittlerweile in einem Wiener Polizeikommissariat – habe eine Mail mit den angehängten Unterlagen zunächst an seine private E-Mail-Adresse geschickt und dann einem Redakteur der Online-Plattform zukommen lassen.

Der Staatsanwalt stützte sich dabei auf zwei Textnachrichten, die der Beamte einige Wochen zuvor Johann Gudenus gesandt hatte. In der einen ließ er den zu diesem Zeitpunkt infolge des Ibiza-Videos von allen Parteifunktionen zurückgetretenen Ex-FPÖ-Politiker wissen, er arbeite „eng“ mit dem betreffenden Redakteur zusammen, um ein „schwarzes Netzwerk (gemeint offenbar: ein ÖVP-Netzwerk im Innenministerium, Anm.) aufzudecken. Unser letzter Erfolg“.

Journalist: Angeklagter nicht Informant

In einer zweiten Botschaft an Gudenus nahm der Angeklagte aus Sicht der Anklagebehörde Bezug auf ein Treffen, das Gudenus mit dem Redakteur geplant haben dürfte: „Joschi, solltest du dich mit ihm treffen, bin ich als Unterstützung dabei.“

Der frühere Spitzenbeamte bestritt entschieden, er sei der „Maulwurf“ gewesen, der diese Sache nach außen getragen habe. Die Richterin befand am Ende, es gebe zwar „einige Indizien“, die doch in diese Richtung deuteten: „Die Anklage ist keinesfalls ein Hirngespinst.“ Allerdings war am Freitag der Journalist als Zeuge aufgetreten, hatte sich nicht auf das Redaktionsgeheimnis und den Informantenschutz berufen, sondern unmissverständlich betont, er habe das Material nicht vom Angeklagten erhalten.

Mail an mehrere Empfänger

Darüber hinaus bestätigte sich im Beweisverfahren, dass das betreffende Mail mit dem brisanten Inhalt im Innenministerium an mehrere Empfänger – darunter auch Funktionsträger-Adressen – gegangen war, sodass grundsätzlich ein größerer Personenkreis die Möglichkeit gehabt hätte, es in die Medien zu tragen. „Wir können nicht mit Sicherheit sagen, dass Sie das waren“, sagte die Richterin, weshalb in diesem Punkt ein Freispruch im Zweifel erging.