Beschmiertes Karl-Lueger-Denkmal
APA/Roland Schlager
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Kultur

Forscherin fordert Handeln bei Lueger-Denkmal

Seit Jahren steht das Denkmal des antisemitischen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger im Zentrum einer Kontroverse. Im Vorjahr wurde es mit dem Wort „Schande“ besprüht. Für Kunsthistorikerin Tanja Schult ist das eine Zwischenlösung, es müsse aber „etwas passieren“.

Gerade alte, klassische Denkmäler ambivalenter Figuren werden derzeit jedoch vielerorts kontrovers diskutiert. Befragt zum Lueger-Denkmal sagte Schult: „Im Augenblick funktioniert die Vandalisierung sehr gut. Ich saß oft davor und habe bemerkt, dass sich die Menschen darüber unterhalten.“ 2020 wurde das Denkmal am ebenfalls nach Lueger benannten Platz am Stubenring von Unbekannten mehrmals mit dem Wort „Schande“ besprüht.

Keine Dauerlösung

Allerdings könne das, so Schult, keine Dauerlösung sein. Sie riet zu einer künstlerischen Umgestaltung des Platzes oder der Platzierung des Denkmals in einer Ausstellung, ähnlich dem Berliner Projekt „Enthüllt“. „Problematische Denkmäler werden dort ausgestellt, kontextualisiert und erklärt“, so die Kunsthistorikerin.

Beschmiertes Karl-Lueger-Denkmal
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Das Denkmal wurde im Vorjahr beschmiert

Fest stehe jedenfalls, dass Lueger, der in Wien um die Jahrhundertwende zahlreiche Großprojekte wie die zweite Hochquellenwasserleitung oder die Kommunalisierung der Straßenbahnen umsetzte, auch im Falle einer Entfernung des Denkmals nicht verschwinden werde: „Lueger ist in der Stadt sehr präsent. Selbst, wenn die Statue nicht hier wäre, würden seine Errungenschaften nicht vergessen werden.“

Erinnerung ohne Porträts

Schult rief dazu auf, den unter anderem mit klassischen Denkmälern von Männern angefüllten öffentlichen Raum zu „entrümpeln“, um mit neuen Denkmälern die demokratischen Werte von heute zu vermitteln. Einige belastete Monumente könnten dafür auch gestürzt werden und verschwinden: „In Deutschland erinnert man auch an den Holocaust, ohne Porträts von Nationalsozialisten in den Schulen zu belassen.“

Auf Denkmäler von Personen zu verzichten, sei aber wohl keine Lösung. „Ich glaube, das ist etwas Urmenschliches“, erklärte Schult und merkte an, dass Denkmäler nicht immer nur Einzelpersonen, sondern auch Bewegungen wie etwa „Fridays for Future“ abbilden können. Die Wissenschafterin wünscht sich bei zeitgenössischen Denkmälern außerdem zeitgenössische Formen.

Dohnal-Birke in Parks

Ein interessantes Beispiel sei ein Denkmal für Frauenbewegungs-Vorreiterin Johanna Dohnal – in 23 nach Männern benannten Parks in allen Wiener Gemeindebezirken wurde ihr je eine Birke gewidmet. Moderne, demokratische Denkmäler, mit denen sie sich derzeit in Wien beschäftigt, werden benutzt, um die Demokratie voranzutreiben. „Man will damit nicht mehr an Siege erinnern, sondern an Verluste und eigene Verbrechen“, erklärte sie, „außerdem sollen marginalisierte Gruppen miteinbezogen werden.“

Mitwirken ermöglichen

Ziel sei es, Menschen an der Entstehung und am Wirken des Denkmals teilhaben zu lassen. Als Beispiel nannte Schult Christoph Mayers „Audioweg Gusen“, wo Menschen mit Stimmen und Klängen beschallt werden, wodurch das Konzentrationslager inmitten der heutigen Wohngegend vorstellbar wird.

Welchen Wert Denkmäler in Demokratien haben, darüber spricht Schult bei einem Vortrag an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Donnerstag in Wien. In der Hauptstadt bleibt sie zu Forschungszwecken noch länger, auch ein Buch über Kunst im öffentlichen Raum in Wien ist in Planung. Vor Kurzem ist auch das von ihr herausgegebene Buch „Was denkt das Denkmal? Eine Anthologie zur Denkmalkultur“ bei Böhlau erschienen.