Coronavirus

Viele Junge haben Post-Covid-Symptome

Müdigkeit, Belastungsintoleranz, Schmerzzustände oder verminderte Muskelkraft können Kennzeichen eines Long-Covid-Syndroms sein. Immunologie und eine Schädigung der Blutgefäße durch die CoV-Infektion sind offenbar die Ursache. Auch viele junge Patienten leiden daran.

Atemnot, Brust-, Kopf-, Muskelschmerzen, anhaltende Riech- und Geschmacksstörungen, Bauchbeschwerden, Angstzustände, Abgeschlagenheit, schlechtere Muskelkraft und physische Belastungsintoleranz – dies und weitere Symptome können Zeichen eines Post-Covid-Syndroms sein. Häufig sind solche Komplikationen über alle Altersgruppen hinweg. „Auch viele junge Menschen haben diese Symptomatik“, so die Hämatologin Carmen Scheibenbogen von der Berliner Universitätsklinik, auch Leiterin der Immundefekt-Ambulanz für Erwachsene.

Knapp die Hälfte spürt Infektion noch länger

Die Expertin nannte bei einem von der Wiener Psychiaterin und Suchtspezialistin Gabriele Fischer (MedUni Wien) organisierten Symposium Daten aus der sogenannten Oxford-Studie: Mehr als vier Wochen nach Beginn der SARS-CoV-2-Infektion leiden 46 Prozent der Zehn- bis 21-Jährigen, 61 Prozent der über 65-Jährigen, 64 Prozent der wegen Covid-19 stationär aufgenommenen Patienten und 73 Prozent nach Aufenthalt auf einer Intensivstation an Post-Covid-Symptomen. Im Endeffekt, so Carmen Scheibenbogen, sind das zehn bis 20 Prozent der Ex-Covid-19-Patienten mit mildem bis moderaten Krankheitsverlauf und jedenfalls mehr als 50 Prozent der Kranken nach schwerer Covid-19-Problematik.

Es ist nicht die sprichwörtliche „Psyche“, die dahinter steckt, wie die Expertin erklärte: „Es ist relativ klar, dass das Immunsystem überreagiert. Wir haben Daten, wonach die Gefäßfunktion gestört ist. Außerdem kommt es zu einer anhaltenden Aktivierung der Blutgerinnung.“ Wahrscheinlich kommt es insbesondere zu einer Schädigung der sogenannten Beta-2-adrenergen Rezeptoren in der inneren Auskleidungsschicht der Blutgefäße (Endothelzellschicht), die für die Gefäßerweiterung wichtig sind.

Vermittelt wird diese Schädigung offenbar durch die Bildung von Auto-Antikörpern gegen die Rezeptoren, was die Erweiterung der Gefäße erschwert, gleichzeitig die Sauerstoffversorgung erschwert und die Pulsfrequenz bei Belastung krankhaft steigert (Tachykardie).

Drei Tage „flach“ nach einmal Joggen

Das würde laut der Expertin auch erklären, warum die Betroffenen oft einen drastischen Abfall ihrer physischen Leistungsfähigkeit erleben. „Sie haben eine Belastungsintoleranz. Die Beschwerden nehmen unter physischer Belastung zu. Die Betroffenen versuchen zum Beispiel zu joggen und liegen danach drei Tage ‚flach‘.“ Das geht hin bis zu Hobby-Marathonläufern, die infolge des Long-Covid-Syndroms kaum mehr irgendeiner sportlichen Betätigung nachgehen können. „Die Hälfte der Patienten ist nach sechs Monaten noch nicht arbeitsfähig“, sagte die Expertin.

Mit psychiatrischen Erkrankungen hat das nichts zu tun. „Die (körperliche; Anm.) Belastungsintoleranz ist sehr typisch für das Chronic Fatigue Syndrom. Sie gehört nicht zu einer Depression“, sagte Carmen Scheibenbogen.

Bisher keine ursächliche Therapie

Eine ursächliche Therapie gibt es bisher nicht. Allerdings befinden sich zahlreiche Behandlungskonzepte für Menschen mit Long-Covid-Syndrom in klinischer Erprobung. „Bisher ist die Behandlung nur symptomorientiert. Eine frühe pulmonale Rehabilitation nach einer (Covid-)Pneumonie ist wichtig“, sagte die Expertin. Energie-Management, Maßnahmen zur Verstärkung der Stresskontrolle, Atemtherapie etc. sind hier wichtig.

Gegen die Schädigung der Endothelzellschicht der Blutgefäße mit einer niederschwelligen Entzündung werden derzeit anti-entzündlich wirkende Medikamente erprobt. Dazu gehören zum Beispiel herkömmliche Cholesterinsenker. Es gibt auch Versuche, die Autoantikörper gegen die Beta-Rezeptoren der Blutgefäße aus dem Blut abzufiltern.

Ein bis zwei Prozent der Jungen betroffen

Das Problem mit dem Long-Covid-Syndrom wird laut Carmen Scheibenbogen noch länger anhalten: „Wir gehen davon aus, dass auch ein bis zwei Prozent der jungen Covid-19-Erkrankten ein Long-Covid-Syndrom entwickeln. Speziell die jüngeren Menschen sollten sehr viel Respekt vor Long Covid haben. Wir haben nur die Alternative: Impfen oder Covid.“ Die Covid-19-Impfung sei auch das beste Mittel, um die langfristigen Komplikationen einer SARS-CoV-2-Infektion zu verhindern.