Schild mit der Aufschrift Staatsanwaltschaft Wien vor dem Landesgericht Josefstadt in Wien
ORF.at/Patrick Wally
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Chronik

Anklage gegen „Bierwirt“ liegt vor

Die Staatsanwaltschaft Wien hat gegen einen mordverdächtigen „Bierwirt“ Anklage erhoben. Der ehemalige Betreiber eines Bierlokals soll am 29. April 2021 in Wien-Brigittenau mit gezielten Schüssen seine Ex-Freundin getötet haben.

Der Verteidiger des „Bierwirts“ will gegen die Mordanklage keinen Einspruch erheben. Ein Termin für den Prozess steht allerdings noch nicht fest. Zusätzlich zur Mordanklage hat die Staatsanwaltschaft die – zeitlich unbefristete – Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt. Ausschlaggebend dafür sind die gutachterlichen Feststellungen des beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen.

Laut Anklage gezielt in Kopf geschossen

Die erschossene Frau – eine Krankenschwester – soll wenige Tage vor den tödlichen Schüssen ihre 15-jährige Beziehung zu dem 43-Jährigen endgültig beendet gehabt haben. Darauf soll er am 29. April bewaffnet in ihrer Wohnung aufgetaucht sein, in der sich auch ein Nachbar und dessen 13-jährige Tochter aufhielten. In Gegenwart der beiden soll er der Frau laut Anklage gezielt auf den Oberschenkel und in den Kopf geschossen haben.

Laut Anklage forderte er anschließend den Nachbarn auf, die Wohnung zu verlassen und seine eigene Tochter, die zu diesem Zeitpunkt im Hof spielte, zu adoptieren. Er werde „in 20 Jahren rauskommen“ (gemeint: aus dem Gefängnis, Anm.), dann wolle er sie sehen.

Spurensicherung am Tatort
APA/Georg Hochmuth
Laut Anklage soll der Verdächtige in Gegenwart eines Nachbarn in Tötungsabsicht zwei Mal auf die Frau geschossen haben

Im Hof Alkohol getrunken

Wie der Anklageschrift zu entnehmen ist, lief der geschockte Nachbar in seine Wohnung und verriegelte diese. Der Bierwirt folgte ihm, läutete Sturm und verlangte Alkohol, woraufhin ihm der Nachbar „durch ein Fenster eine Flasche Bacardi Superior 0,7 Liter und eine Flasche Eristoff Red 0,7 Liter reichte. Damit setzte sich der Angeklagte im Hof auf eine Bank, trank beide Flaschen nahezu zur Gänze aus und wartete auf die Polizei, die ihn kurze Zeit später festnahm“ (Anklageschrift).

Vorfall vor der Tat

Etwa eine Woche vor den tödlichen Schüssen – die Frau erlag in einem Spital ihren Verletzungen – war es bereits zu einem gefährlichen Zwischenfall in der Wohnung der 35-Jährigen gekommen. Der Vater der 35-Jährigen hatte den Verdächtigen aufgrund seines Verhaltens aus der Wohnung geworfen. Dabei nahm der 43-Jährige eine Waffe, repetierte und richtete sie auf den Schwiegervater. Nach dem Vorfall wurde keine Anzeige erstattet, jedoch beendete die 35-Jährige nun endgültig die Beziehung zu dem Gastronomen.

Gutachten attestiert hohe Gefährlichkeit

Neben Mord legt die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten auch schwere Nötigung und unerlaubten Waffenbesitz zur Last. Ein von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes psychiatrisches Gutachten ergab, dass von dem Beschuldigten eine hohe Gefährlichkeit ausgeht, weshalb zusätzlich die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach Paragraf 21/2 Strafgesetzbuch (StGB) beantragt wurde. Der psychiatrische Sachverständige bescheinigt dem Bierwirt zwar Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt, kommt aber zum Schluss, dass dieser eine psychische Störung aufweist, die einer seelisch-geistigen Abnormität höheren Grades gleichkommt, welche ursächlich für die Bluttat war.

In der Anklageschrift ist von einer „kombinierten Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend emotional instabilen, impulsiven, dependenten und dissozialen Anteilen“ die Rede. Zudem soll der regelmäßige Konsum von Benzodiazepinen, Alkohol und Kokain beim Angeklagten Verhaltensstörungen bewirkt haben.

Dieses Gemenge macht den Bierwirt nach Ansicht des Gutachters derart gefährlich, dass der Sachverständige mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ davon ausgeht, dass der Bierwirt ohne die im Maßnahmenvollzug gewährleisteten haftbegleitenden therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten weitere Tötungsdelikte sowie andere Taten mit schweren Folgen begehen könnte. Die Staatsanwaltschaft hält daher im Fall eines anklagekonformen Schuldspruchs die Unterbringung des 43-Jährigen in einer Sonderstrafanstalt für zwingend erforderlich.

Behörde schließt Straftat im Vollrausch aus

„Es tut ihm furchtbar leid“, meinte nun sein Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger im Gespräch mit der APA. Er habe die Tat „im Zustand voller Berauschung“ begangen und sei deshalb nicht schuldfähig, sagte Arbacher-Stöger. Der Verdächtige hatte mediale Bekanntheit erlangt, weil er einen Rechtsstreit mit der Grünen Klubobfrau Sigrid Maurer angezettelt hatte.

Eine Straftat im Vollrausch schließt die Anklagebehörde auf Basis der gutachterlichen Feststellungen des Psychiaters allerdings aus. Demzufolge hätte der Bierwirt nämlich im Tatzeitpunkt 12,6 Promille intus gehabt, würden die von ihm behaupteten Mengen an Alkohol, die er seit dem 28. April vertilgt haben will, den Tatsachen entsprechen.

„Abgesehen davon, dass der Angeklagte eine solche Alkoholisierung nicht überlebt hätte, widerspricht sie auch den im Blut nachgewiesenen Werten“, wird in der Anklageschrift nüchtern vermerkt. Die bei der Festnahme erwiesene Alkoholisierung des 43-Jährigen lässt sich aus Sicht der Strafverfolgungsbehörde „einwandfrei aus dem Nachtrunk erklären“, also den Alkoholika, die dem 43-Jährigen vom Nachbarn der Getöteten überlassen wurden.