Drei Pestärzte und ein Rabe, 1986
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg sowie Diogenes Verlag, Zürich
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg sowie Diogenes Verlag, Zürich
Kultur

Albertina zeigt Zeichnungen von Paul Flora

Er ist einer der wenigen Künstler, die sich ausschließlich auf die Zeichnung konzentriert haben – und dennoch ist das Werk des 2009 verstorbenen Paul Flora äußerst facettenreich. Anlässlich seines 100. Geburtstags zeigt die Albertina ab Freitag einen Querschnitt zu seinem Schaffen.

Große Bekanntheit erlangte Flora eigentlich als politischer Karikaturist. Mehr als 3.000 humoristische Kommentare fertigte der Tiroler etwa zwischen 1957 und 1971 für die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ an. Sie wurden von internationalen Blättern wie „The Times“ oder „The Observer“ übernommen. Für die Schau in der Albertina habe man sich aber bewusst ausschließlich auf das ebenfalls üppige Werk abseits der Karikaturen gestürzt, berichtete Kuratorin Antonia Hoerschelmann im Rahmen einer Presseführung.

Dinosaurier oder „Säuferasyl“

„Es gibt wenige Künstler, die sich nur dem Papier gewidmet haben“, strich sie das Besondere Floras hervor. Gut 100 im Großen und Ganzen chronologisch ausgestellte Arbeiten, die teils aus den hauseigenen Beständen, teils aus dem Besitz der Familie stammen, führen in die „dichte und intensive Welt“ des gebürtigen Südtirolers, dessen Geburtstag sich 2022 zum 100. Mal jährt. „Schon in der Schule fiel sein großes Talent auf“, wies Hoerschelmann auf die ersten Arbeiten hin, die noch in Teenagerjahren entstanden.

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Heißluftballone
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg sowie Diogenes Verlag, Zürich
Einige Tiger, 1954
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg sowie Diogenes Verlag, Zürich
Winternacht mit Wanderer, 1992
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg sowie Diogenes Verlag, Zürich
Drei Pestärzte und ein Rabe, 1986
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg sowie Diogenes Verlag, Zürich
Schrebergarten
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg sowie Diogenes Verlag, Zürich

Diese frühen Zeichnungen – Straßenszenen, ein Maler, ein Fischer – wirken großteils noch wie schnell hingeworfene Skizzen. Aus fast abstrakten Geometrien schälen sich dank weniger feiner Striche – die Flora laut Erich Kästner „so zart und zärtlich aufs Papier“ bringe, „als habe er Angst, ihm wehzutun“ – gegenständliche Szenen wie fliegende Heißluftballons heraus.

Spätestens ab den 1960er-Jahren werden die Arbeiten fantasievoller und vielschichtiger. Ausgeprägtere Schraffuren verleihen den Architekturen und Figuren mehr Volumen und erlauben eine ausgeklügeltere Licht- und Schattenregie. Reizvoll sind etwa Floras Dachlandschaften auf riesigen Gebäudeblöcken, auf denen ein alpines Setting, ein Dinosaurier oder gleich ein „Säuferasyl“ Platz finden. Unweit davon erinnern unheimliche, windschiefe Häuser, die an den später Alfred Kubin erinnern, mit dem Flora befreundet gewesen sei, wie die Kuratorin erklärte.

Venedig als wiederkehrendes Motiv

In vielen seiner späteren Zeichnungen ab den 1980er-Jahren hat sich Flora Venedig gewidmet, wobei er die Lagunenstadt nicht als Sehnsuchtsort vorstellt, sondern sie durch eine Art nebelig-melancholischen Schleier zeigt. Immer wieder spielt die Pest, die in den Jahren 1575/65 rund 50.000 Einwohner dahinraffte, eine Rolle. Aber auch hier darf feiner Humor nicht fehlen – etwa wenn in „Wagner, nächtlich in Venedig“ der kaum zu sehende, aber trotzdem gleich erkennbare Komponist über eine Steinbrücke den Kanal überquert, „Marcel Proust im Café Florian“ traurig aus dem Fenster schaut oder „Das große venezianische Rattenmeeting“ ausgerufen wird.

Groteske Heiterkeit versprühen die „Neunhundertsiebenundvierzig Chinesen vor der Chinesischen Mauer“ oder die in Reih und Glied und im Stechschritt marschierende „Preußische Rabenparade“.
Diese oft für das Unheimliche stehenden Vögel haben es Flora übrigens Zeit seines Lebens angetan. In den letzten Schaffensjahren werden sie fast zu individuellen Charakteren, zeigen Gefühle, „werden alt und müde“, wie Hoerschelmann es ausdrückte.