Amazon-Pakete
APA/dpa/Martin Schutt
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Wirtschaft

Kritik an Arbeitsbedingungen bei Amazon

Eine Studie der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien hat die Arbeitsbedingungen migrantischer und geflüchteter Zusteller beim US-Onlinekonzern Amazon hierzulande untersucht. Das Fazit: Diese arbeiten unter besonders schlechten Arbeitsbedingungen.

„Amazon ist wie ein Sklavenhändler“, sagt ein Fahrer, der für die Studie befragt wurde. Ein anderer meint: „Ich hatte nicht einmal Zeit, auf die Toilette zu gehen.“ Angestellt sind die Zusteller nicht direkt bei Amazon, sondern bei Subunternehmen. Das System sei darauf ausgelegt, dass die Zusteller regelmäßig mehr arbeiten als vorgesehen, sagt Studienautorin Judith Kohlenberger. „Diese Überstunden werden oft nicht oder nur schleppend ausgezahlt. Es wird nicht dokumentiert von Arbeitgeberseite, und ein Krankenstand ist im Grunde nicht möglich.“

Unbezahlte Überstunden, nicht eingehaltene Ruhezeiten

Diese Erkenntnisse der Studie decken sich auch mit Eindrücken in der arbeitsrechtlichen Beratung der Arbeiterkammer (AK) Wien und der Gewerkschaft vida. Die fordern eine Subunternehmerhaftung, wie es sie beispielsweise am Bau gibt. „Ohne eine gesetzliche Versenderhaftung können Dumpingpreise im Hintergrund und ohne Verantwortung weiter von Konzernen diktiert werden und das Ausbeuterkarussell kann sich weiterdrehen“, so vida-Bereichsexperte Karl Delfs.

„Die häufigsten Anliegen, mit denen sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Bereich Kleintransportgewerbe an uns gewandt haben, waren Lohnrückstände, unberechtigte Abzüge von Beträgen, unbezahlte Überstunden, nicht eingehaltene Ruhezeiten oder fehlendes Tagesgeld. Der Druck auf die Beschäftigten ist immens, die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes groß“, so AK-Arbeitsrechtsexpertin Bianca Schrittwieser.

400 Fahrer in 130 Subunternehmen

Amazon würde sich durch das Auslagern der Zustellung an Subunternehmen im Kleintransportgewerbe der Verantwortung entziehen. Darum fordere die AK auch schon lange eine Haftung des Erstauftraggebers für Löhne. Rund 400 Fahrer seien für 130 Subunternehmer im Bereich Amazon tätig, wobei die Zahlen aufgrund der Fluktuation stark schwanken würden.

Als Beispiel für die Arbeitsbedingungen wurde bei einem Pressegespräch von AK und WU angeführt: Wartezeiten im Lager oder die Zeit, die benötigt wird, um die leeren Amazon-Taschen wieder zu retournieren, würden weder als Arbeitszeit gewertet noch bezahlt. Auch genaue Arbeitszeitaufzeichnungen fehlten oft.

Schlechte Arbeitsbedingungen für Amazon-Lieferanten

Die Arbeitsbedingungen bei Amazon sind immer wieder kritisiert worden. Laut einer Studie komme es vor, dass Paketlieferanten gekündigt werden, wenn sie Krankenstand in Anspruch nehmen. Amazon weist alle Vorwürfe zurück.

Außerdem würden Dienste kurzfristig gestrichen oder angeordnet. Arbeitnehmern würden willkürlich Beträge vom Lohn abgezogen. In einigen Fällen sei Urlaub abgezogen worden, obwohl für den Zeitraum eine ordentliche Krankmeldung vorgelegen sei.

Großrazzia im Vorjahr

Im Februar 2020 fand eine Großrazzia bei einem Amazon-Verteilzentrum Großebersdorf bei Wien statt. Im Visier stand nicht Amazon selbst, sondern die Subfirmen, die im Großraum Wien die Pakete ausliefern. Die Finanzpolizei ging dem Verdacht der gewerbsmäßigen Schwarzarbeit nach.

Laut Ermittlungsergebnissen der Finanzpolizei gab es 987 Beanstandungen, darunter Schwarzarbeit und Abgabenhinterziehung. „Ich kann mich an keine Kontrolle erinnern, bei der wir auf derartig viele Gesetzesübertretungen gestoßen sind“, sagte der Leiter der Finanzpolizei im BMF, Wilfried Lehner. „Das ist einmalig. Bei einem korrekten Beschäftigungsverhältnis geht sich die Kalkulation fast nicht aus“, fasste Lehner zusammen.

Delfs fordert, dass wie bei Lkws und Bussen auch in gewerblich genutzten Kleintransportern unter 3,5 Tonnen ein digitales Kontrollgerät zur Aufzeichnung von Lenkzeiten eingebaut werden muss. Zur Kontrolle von Sozialbetrug und Scheinselbstständigkeit sei zudem dringend eine personelle Aufstockung der Finanzpolizei notwendig.

Amazon kritisiert Studie: „Handverlesene Personen“

Ein Sprecher von Amazon hielt am Freitag fest: „Die Studie basiert auf nur 15 Interviews von handverlesenen Personen, die für ihre Teilnahme bezahlt wurden. Sie kann daher gar nicht die Erfahrungen der Hunderten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kleiner und mittlerer Zustellunternehmen in ganz Österreich widerspiegeln, die jeden Tag Pakete zu Kunden bringen. Wir erwarten ein erstklassiges Arbeitserlebnis, führen eigene Nachforschungen durch und ergreifen Maßnahmen, falls ein Lieferpartner die Erwartungen nicht erfüllt.“

Er betonte, dass Amazon in Österreich mit weniger als 30 Lieferservicepartnern zusammenarbeite, die wiederum aktuell rund 500 Arbeitsplätze sicherten. Zu der Razzia der Finanzbehörden 2020 nahe Wien meinte der Sprecher zur APA, dass bei einer zweiten Untersuchung „fast keine Verstöße“ mehr festgestellt worden seien.