Schriftzug „und es ist auch kein Wald“ auf Schwedenbrücke
APA/Herbert Pfarrhofer
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Kultur

Gedenkort für Ilse Aichinger auf Brücke

Zum 100. Geburtstag der 2016 verstorbenen Schriftstellerin Ilse Aichinger ist am Mittwoch ein Gedenkort auf der Schwedenbrücke eingerichtet worden. Genau an jener Stelle musste Aichinger 1942 zusehen, wie unter anderem ihre Großmutter deportiert wurde.

Gestaltet wurde der das Brückengeländer säumende metallene Schriftzug von Schwiegertochter Elisabeth Eich. Und so können Passanten nun auf dem Weg von der Leopoldstadt in die Innere Stadt jenes Gedicht lesen, das Aichinger später unter dem Titel „Winterantwort“ verfasste und das sich mit dem Tod der Großmutter befasst. „Die Welt ist aus dem Stoff, / der Betrachtung verlangt“, heißt es zu Beginn des Gedichts.

Wichtiges Zeichen der Erinnerungskultur

In Anwesenheit zahlreicher Familienmitglieder der Schriftstellerin sowie der Bühnenbildnerin Eich fragte sich Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) in ihrer Rede, ob Aichinger selbst es gutgeheißen hätte, mit einem Denkmal verewigt zu werden. „Sie wollte sich im Leben und im Schreiben zum Verschwinden bringen“, so Mayer. Die Art und Weise, wie dieser „Gedenkort“ nun aber realisiert worden sei, hätte Aichinger laut Mayer gefallen können. „Das Gedicht kehrt nun an jenen Ort zurück, den sie darin beredet verschweigt.“

Schriftzug „die Welt ist aus dem Stoff“ auf Schwedenbrücke
APA/Herbert Pfarrhofer
Ein Ausschnitt aus dem Gedicht der Schriftstellerin ist auf der Brücke zu lesen

Die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) freute sich im Anschluss, „dass sich von nun an die zahlreichen Passantinnen und Passanten, die täglich die Schwedenbrücke frequentieren, mit dem Gedicht von Ilse Aichinger und der Geschichte dieser Stadt konfrontiert sehen“. Gerade in Zeiten von kurzen, sinnentleerten Worten auf Social Media sei es ein wichtiges Zeichen der Erinnerungskultur, Aichingers gewichtige Worte im öffentlichen Raum zu verankern. Unterstützt wurde das Vorhaben, das laut Walter Famler, Präsident des Kunstvereins, vor einigen Jahren in der Alten Schmiede im Dialog mit Aichingers Kindern entstanden ist, auch von der S.Fischer Stiftung Berlin.

Kurz vor der Enthüllung trug der Autor Josef Winkler, der die Etablierung des Gedenkorts auch als Präsident des Kunstsenats unterstützte, Aichingers Gedicht „Winterantwort“ vor, bevor zahlreiche Wegbegleiter und Literaturfreunde sich – über die Brücke spazierend – selbst ein Bild machen konnten.