Patrick Budgen und Christoph Wenisch
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Coronavirus

Infektiologe Wenisch erhielt Morddrohung

Die Bilder mit Siegesfaust, mit der Infektiologe Christoph Wenisch seine erste CoV-Impfung begleitet hatte, sind um die Welt gegangen. Auch danach machte Wenisch immer wieder Werbung für die Impfung – und erhielt deshalb auch eine Morddrohung, wie er im „Wien heute“-Interview erzählt.

Als Leiter der Infektionsabteilung in der Klinik Favoriten erhielt Christoph Wenisch bereits im Dezember 2020 seine erste Teilimpfung. Nicht nur an der Impfung selbst, sondern auch an den Tagen danach ließ er die Öffentlichkeit teilhaben – das dürfte nicht allen gefallen haben. Wenisch erhielt einen Brief mit einer Morddrohung, daraufhin zog er sich vorübergehend aus der Öffentlichkeit zurück: „Da war klar: Jetzt ist einmal Sendepause. Das war ein Drohbrief mit einer Collage, einer wollte mir den Kopf abschneiden. Das ist schon grauslich, so ein Bild wirkt ja immer auch nach“, so Wenisch im Interview mit Patrick Budgen.

Christoph Wenisch
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Für seine Werbung für eine Impfung gegen das CoV-Virus erhielt Infektiologe Wenisch sogar Morddrohungen

Die Polizei sei aber sofort zur Stelle gewesen, inklusive Spurensicherung, berichtete Wenisch. Es habe auch staatsanwaltliche Ermittlungen gegeben: „Und ich bin dann erst einmal in die Versenkung gegangen, auch auf Empfehlung der Polizei. Aber dann kam nichts mehr, da dürfte sich wohl jemand gekränkt haben durch meine Äußerungen. Das wollte ich nicht“, so der Infektiologe.

Würde als Mediziner weiteren Lockdown begrüßen

Von teils unpopulären Meinungen lässt sich Wenisch dennoch nicht abbringen: So befürworte er als Mediziner jedenfalls einen erneuten Lockdown. „Und zwar so lange, bis die Zahlen wieder unten sind und unser Gesundheitssystem wieder normal funktioniert. Natürlich ist das eine politische Aufgabe auch, aber rein als Mediziner will man natürlich jeden Patienten verhindern“, meinte der Infektiologe. Denn eine Explosion der Zahlen wie jetzt vertrage das System kaum.

Sein Team und er seien seit Tag eins an vorderster Front gestanden: „Es ist sehr viel Personal krank geworden, 30 Prozent der Mitarbeiter haben sich angesteckt, ich persönlich habe Freunde und Bekannte an Long Covid verloren“, sagte Wenisch, der die dramatische Situation in der Wiener Klinik Favoriten täglich aus nächster Nähe miterlebt. Teilweise sei Personal nach wie vor im Krankenstand, weil sie keinen Schutzanzug oder keine Maske mehr tragen können, da ihre Lungenfunktion eingeschränkt sei. Derzeit habe man wieder Probleme, allerdings handle es sich bei einem großen Teil um Impfdurchbrüche und daher milde Verläufe.

„Ich dachte, alle nehmen die Impfung wie ich“

Vor einem Jahr hatte Wenisch noch die Prognose gewagt, dass CoV heute nur noch eine Erinnerung sein werden. „Weil ich mal gedacht habe, die Menschen werden die Impfung genauso nehmen wie ich. Ich dachte, 100 Prozent sind durchgeimpft und lassen sich die dritte Impfung und so weiter geben. Ich habe mich geirrt und das tut mir leid, dass das so ist.“ Es tue ihm weh, dass er nicht mehr Menschen überzeugen habe können, obwohl „ich mich wirklich rausgelehnt habe“ und oft auch Medientermine wahrgenommen, die nichts mit seiner eigentlichen Arbeit zu tun hatten.

In anderen Ländern sehe man, dass eine vierte Welle mit einer hohen Impfquote vermeidbar gewesen wäre. Das habe man nicht geschafft: „Es gab ja sogar eine Partei, die mit einem Anti-Impfprogramm in den Landtag eingezogen ist. Das kann ich medizinisch nicht verstehen. Politisch gibt es sicher viele Meinungen, aber medizinisch ist es unverständlich, dass man da aufs eigene Tor schießt.“ Dennoch wagt Wenisch auch heuer wieder eine Prognose fürs nächste Jahr: „Es wird eine Schnupfenkrankheit werden. Natürlich wird es da und dort, wie bei allem, schwere Verläufe geben, aber im Großen und Ganzen eine Schnupfenkrankheit.“