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APA/Georg Hochmuth
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Politik

MA 35: Reformen greifen nur langsam

Nach heftiger Kritik an der Einwanderungsbehörde MA 35 laufen nun Reformen. Verbesserungen seien zwar bereits zu sehen, werden laut dem zuständigen Stadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) aber erst „im nächsten Jahr deutlich zu spüren sein“.

Riesige Aktenberge und Telefone, die niemand abhebt: Nach den heuer bekanntgewordenen Missständen in der Behörde setzt Integrationsstadtrat Wiederkehr auf Reformen. Seit kurzem gibt es eine neue Servicestelle nur für qualifiziertes Fachpersonal – das „Business Immigration Office“. Es soll Fach- und Schlüsselkräften aus Drittstaaten künftig als erste Anlaufstelle dienen.

Es gehe etwa um Forscherinnen, Pflegekräfte, Dachdecker, erläuterte Wiederkehr am Dienstag im Ö1-Interview. „Das sind Kräfte, die wir in Wien brauchen.“ Man befinde sich da auch im Standortwettbewerb mit anderen Städten. Das neue Office sei überdies Vorbild für andere Bereiche in der MA 35.

Der bekanntgewordene Fall eines Japaners, der niedergemacht wurde, weil er keinen Meldezettel vorlegen konnte, tue ihm leid. Er bekomme aber auch viele positive Rückmeldungen, etwa wegen der mehrsprachigen Beratungsleistung. Kritik nehme er aber ernst und gehe ihr nach.

Telefonisches Servicecenter ab Dezember in Vollbetrieb

Unabhängig von der neuen Servicestelle solle aber in Zukunft jede Person, die einen Antrag stellt, ein gutes und schnelles Verfahren bekommen und vor allem auch die Möglichkeit haben, die Behörde zu erreichen, so Wiederkehr. Es gebe aber über 150.000 Verfahren im Jahr, der Aufwand sei enorm. Man habe nach den bekanntgewordenen Missständen im Sommer „sehr, sehr schnell gehandelt“.

Die Mitarbeiter seien überfordert gewesen, mittlerweile gebe es ein telefonisches Servicecenter im Testbetrieb, bei dem im ersten Monat des Testbetriebs 25.000 Menschen angerufen haben. Die Situation habe man hier bereits im Griff. Ab Dezember soll das telefonische Servicecenter in Vollbetrieb gehen.

Auch die im März versprochenen 50 neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien bereits alle im Dienst. „Einige werden noch eingeschult.“ Das Ziel sei, die Verfahren zu beschleunigen und zu verkürzen. Man sei dabei, aber es gebe einen „großen Rückstau aus der Vergangenheit“, der durch die Pandemie noch intensiviert worden sei, räumte Wiederkehr eine nach wie vor teils zu lange Verfahrensdauer ein.

Elektronischer Akt soll kommen

Insgesamt sehe man aber bereits, dass es „vorangehe“: „Die Reformen greifen.“ Reformschritte gebe es in vielen Bereichen der Behörde, vor allem auch im Bereich der Digitalisierung. „Mein Ziel ist, dass jedes Verfahren auch mit einem elektronischen Akt im nächsten Jahr abgewickelt werden kann“, auch wenn die Antragstellung per Gesetz weiter persönlich vorgenommen werden müsse.

Viele Beschwerden seien auch Beschwerden wegen bundesgesetzlicher Vorgaben, nicht immer liege die Schuld bei der MA 35, so Wiederkehr. Es bräuchte bundesgesetzliche Veränderungen, doch bis die nicht kommen, könne die Behörde auch nicht optimal funktionieren. „weil die Gesetze so komplex sind“.

„Agil werden wie ein Start-up“

Vom Ziel, schnell, effizient und serviceorintiert zu sein, ist die MA 35 aber offenbar noch ein Stück weit entfernt. Der Reformprozess werde „länger dauern und nie ganz abgeschlossen sein“, so Wiederkehr. Aber man werde noch heuer Fortschritte sehen bzw. sehe man sie schon. Im nächsten Jahr werden man dann „wesentlich besser werden“. Die Behörde soll so „agil werden wie ein Start-up“ werden, so Wiederkehr.

Eine externe Firma soll den Reformprozess begleiten. Es habe laut einem bericht in der Tageszeitung „Kurier“ (Dienstag-Ausgabe) ein europaweites Vergabeverfahren gegeben. Den Zuschlag erhielt demnach „Pure Management Group“. „Die Firma begleitet uns mindestens die nächsten vier Jahre, die Kosten liegen bei knapp unter 300.000 Euro“, wird wiederkehr zitiert.

Verpflichtende Anti-Rassismus-Schulungen

Zu den Vorwürfen wegen „strukturellen Rassismus in der Behörde sagte Wiederkehr, dass er viele Mitarbeiter erlebe, „sehr bemüht sind und ein großes Interesse daran haben, dass die Verfahren gut laufen“. Es gebe außerdem spezielle Anti-Rassismus-Schulungen, die alle absolvieren müssen.

ÖVP kontra Wiederkehr, NEOS kontra Grünen

Die ÖVP kritisierte in ihrer Reaktion Vizebürgermeister Wiederkehr (NEOS) bzw. dessen Aussage, die Probleme in der MA35 geerbt zu haben. Die Schuld daran schiebe Wiederkehr auf den Bund oder Corona. Dabei habe etwa die Volksanwaltschaft aufgezeigt, dass die Probleme schon vor Covid bestanden hätten: „Kritik an der Behörde selbst vermisst man, obwohl die Zustände mehr als nur eine klare Sprache sprechen. Ob ohne diese Einsicht echte Reformen möglich sind, wird sich zeigen.“

Der stv. NEOS-Klubobmann Gerald Loacker hatte schon zuvor Wiederkehr verteidigt und sich an den Anwalt Georg Bürstmayr von den Grünen gewandt. Es sei fadenscheinig, wenn dieser etwas kritisiere, was er als Abgeordneter mitzuverantworten habe. "Bei allem Verständnis für die Kritik an der Wiener MA 35, aber „hochkomplizierte bundesgesetzlichen Vorgaben" würden Verfahren verzögern. Wiederkehr versuche sein Möglichstes, um Fehler der Vergangenheit zu beheben, doch das österreichische Aufenthalts- und Fremdenrecht sei „trotz aller Versprechungen" weiterhin ,Kraut und Rüben’“.