Diabetes-Blutkontrolle
APA/dpa/Jana Bauch
APA/dpa/Jana Bauch
Gesundheit

Kritik an Diabetesversorgung

Die Wiener Wirtschaftskammer kritisiert die Diabetesversorgung. Ein Think Tank beschäftigt sich mit Vorbeugung und Behandlung der Zuckerstoffwechselstörung Diabetes Typ II und da sieht man sehr viel Luft nach oben – nicht nur in Wien.

Allein in Wien gibt es rund 123.000 Diabeteskranke, miteingerechnet sind auch rund 30 Prozent, die von ihrer Erkrankung noch gar nichts wissen. Eine Studie, die die Dunkelziffer lichten soll, läuft derzeit. Früherkennung würde Spätfolgen verhindern – und die können weitreichend sein.

So werden in Österreich mehr als doppelt so viele Amputationen an Diabetikern durchgeführt wie im OECD-Schnitt. Im niedergelassenen Bereich gebe es jedoch zu wenige Spezialisten, so der Think Tank der Wiener Wirtschaftskammer.

Diabeteszentrum am Wienerberg entsteht

Allein in Wien belaufen sich die Behandlungskosten für Diabeteskranke auf rund 556 Millionen Euro pro Jahr. In Favoriten ist am Wienerberg gerade ein Diabeteszentrum im Entstehen, das Spitalsambulanzen entlasten soll.

„Wir haben nicht nur eine Corona-Pandemie, sondern auch eine Diabetes-Pandemie“, sagte Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres bei einer Pressekonferenz anlässlich des Weltdiabetestags am 14. November. 800.000 Diabetiker gibt es hierzulande laut Susanne Kaser, Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG), hinzu kommen 350.000 mit einer Vorstufe.

„Folgeerkrankungen müssen nicht sein“

Mögliche Komplikationen der Zuckerstoffwechselstörung können alle Körperbereiche betreffen, betonte Kaser. Beispielsweise ist die Erkrankung der häufigste Grund für nicht traumatische Beinamputationen, 200 Diabetiker erblinden in Österreich jährlich. Auch haben Diabetiker ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf, sollten sie sich mit CoV infizieren.

„Folgeerkrankungen müssen nicht sein“, ist Kaser allerdings überzeugt, notwendig sei ein früher Therapiestart. Die Frühdiagnostik funktioniert laut dem Leiter des Medizinischen Dienstes der ÖGK, Andreas Krauter, derzeit aber nicht gut. Positiv sei, dass die Bestimmung des für die Diagnose wichtigen Langzeit-Zuckerwertes HbA1c nun österreichweit von der Krankenkasse erstattet werde.

Register und Diabetespass gefordert

„Wir wissen ganz wenig über Diabetes in Österreich“, sagte Kaser. Um Diabetiker und Prädiabetiker, die nichts von ihrer Erkrankung wissen, genauso zu erfassen wie Begleiterkrankungen und Betreuungssituation von Diabetikern, wird derzeit eine Studie mit 2.500 Probanden in ganz Österreich durchgeführt. Man müsse die Daten, die es an verschiedenen Stellen bereits gebe, zusammenführen, sagte auch Diabetologe Harald Sourij von der MedUni Graz.

Um die Versorgung von Diabetikern zu verbessern, fordert Kaser außerdem die Einführung eines nationalen Diabetesregisters sowie eines mit ELGA verknüpften elektronischen Diabetespasses. Dieser solle Patienten während ihrer Behandlung begleiten, Befunde und geplante Untersuchungen beinhalten und die Zusammenarbeit unterschiedlicher medizinischer Versorger erleichtern.

„Typ 2 Diabetiker werden immer jünger“

„Typ 2 Diabetiker werden immer jünger“, wies Szekeres auf derzeitige Entwicklungen hin. Eine genetische Prädisposition, aber auch falsche Ernährung, Bewegungsmangel und Übergewicht sind Risikofaktoren für die Erkrankung. Die Prävention solle deshalb „idealerweise im Kindergarten beginnen“. ÖGK-Verwaltungsrat Martin Schaffenrath wünschte sich in diesem Sinne Gesundheitskompetenz als Schulfach.

Im Zusammenhang mit den steigenden Covid-Zahlen und der „Impfunwilligkeit“ wandte sich Kaser an die Politik: Neue Einschränkungen im Gesundheitsbereich sollen nicht auf dem Rücken der Patienten, besonders der Diabetiker, ausgetragen werden. „Ich appelliere an alle, impfen zu gehen“, richtete sie sich außerdem an die Bevölkerung.