Impfgegner mit Impfung-Verbotsschild am Rücken
APA/DPA/CHRISTOPH SCHMIDT
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Coronavirus

Meinung zu Impfung zerreißt Gesellschaft

Der aktuell geltende Lockdown soll ungeimpfte Menschen dazu bewegen, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Das passiert auch. Aber gleichzeitig passiert auch noch etwas anderes: Der Graben zwischen geimpften und ungeimpften Menschen wird tiefer.

Die Zahlen sprechen für sich. Am Montag wurden in Wien 19.282 Coronavirus-Schutzimpfungen verabreicht. Das ist der höchste Wert seit Anfang Juli. Aber immer noch ist es so, dass auf zwei Wienerinnen und Wiener, die zumindest einen Stich bekommen haben, eine Wienerin oder ein Wiener kommt, der sich bisher nicht impfen hat lassen. Die Experten sind sich einig: Es müssen mehr Menschen geimpft werden. Gleichzeitig heißt es, man könne kaum noch Menschen erreichen und von einer Impfung überzeugen. Also erhöht sich der Druck auf ungeimpfte Menschen.

Spaltung der Geimpften und Ungeimpften

Der Druck auf Ungeimpfte Menschen steigt. Sie sind für viele Schuld an der aktuellen Pandemie-Lage. Auf beiden Seiten hat sich viel Frust aufgestaut.

Doch der Druck kann sich auch anders auswirken als gewollt. Menschen könnten dadurch auch in eine Ecke gedrängt werden, wo sie sich immer stärker mit dem Merkmal „ungeimpft“ und mit der Gruppe der nicht geimpften Menschen identifizieren. Die Frage dabei ist, wie sich das auf die zukünftige Impfbereitschaft auswirke, auf den dritten Stich oder die Impfbereitschaft für Kinder, so Verhaltensökonom Florian Spitzer vom Institut für Höhere Studien. Es könnte sogar so enden, dass das Thema Impfen generell und langfristig negativ behaftet bleibt.

Graben vertieft sich

Der „Impfgraben“ zieht sich mittlerweile quer durch die Gesellschaft, durch Arbeitskollegen, Freundeskreise und Familien. Die Paartherapeutin Manuela Ladtstätter berichtet von Menschen, die in Beziehungen leben, wo der eine Partner geimpft, der andere nicht geimpft ist. Da entstünden Ärger und Unverständnis. Hinzu komme, dass alles noch durch die politische Kommunikation angefacht werde, so Ladtstätter: „Ein großes Manko ist, dass unsere Regierung unklare und unzuverlässige Aussagen macht und das verstärkt natürlich alles noch mehr.“

„Es ist immer besser, wenn die Leute davon überzeugt sind, dass die Impfung das richtige ist, weil das ganze dann langfristiger ist und nachhaltiger“, so der Verhaltensökonom. Aus seiner Sicht richtig gemacht hätte die Regierung zwar die niederschwelligen Impfangebote ohne Anmeldung und Termin. Aber auch hier ist nicht alles perfekt abgelaufen. Laut Spitzer hätte es mit Anfang des Jahres begleitend ein empirisches Projekt gebraucht, um wirklich dahinter zu kommen, warum viele die Impfung ablehnen: „Um dann wirklich evidenzbasiert über den Sommer Maßnahmen vorzubereiten und eine gute Impfkampagne auf die Beine zu stellen, angereichert mit verhaltensökonomischen Ansätzen.“

Polarisierung seit Beginn der Pandemie

Ohne Frage existiert also ein Graben zwischen ungeimpften und geimpften Menschen. Julia Partheymüller vom Austrian Corona Panel Project (ACPP) der Universität Wien sieht die Wurzeln einerseits in der Geschichte und im Ablauf der Pandemie. Im „Wien heute“-Gespräch führte sie die extreme Polarisierung zurück bis auf den ersten Lockdown. Der sei gekennzeichnet gewesen durch einen starken gemeinschaftlichen Rückhalt in der Bevölkerung. Dann seien Maßnahmen gelockert worden, die Fallzahlen gesunken. Da habe sich eine Gruppe gebildet und gemeint, es wäre vielleicht doch alles zu extrem gewesen, vielleicht sei es gar nicht so schlimm, da mache ich nicht mehr mit.

Gespräch mit Mitglied des Corona-Panels

Julia Partheymüller von der Universität Wien, Mitglied des Corona-Panels, ist zu Gast bei „Wien heute“.

Aus dem ersten Lockdown heraus sei also eine Gruppe entstanden, die gesagt habe, die ganze Sache sei übertrieben. Dann im Herbst seien die Fallzahlen wieder gestiegen, die Regierung habe lange nicht reagiert, da habe eine zweite Gruppe gemeint, das reicht uns nicht, wir müssen mehr tun, wir brauchen einen Lockdown. So sind laut Partheymüller die beiden Gruppen entstanden, zwischen denen der Graben mit den seit damals mehreren Aufs und Abs der Pandemie immer tiefer geworden ist.

Andererseits habe auch die Politik dazu beigetragen, Gräben zu vertiefen. So fände etwa die eine Gruppe Unterstützung in der FPÖ, während die andere Gruppe sich mehr in der SPÖ wiederfinde, die ja etwa in Wien sogar einen strengeren Weg als der Bund gehe. Somit sei auf Ebene der politischen Parteien die gesellschaftliche Situation gespiegelt.

Reden und Information als Lösungsweg

Um zu vermeiden, dass aus der Gesundheitskrise eine langanhaltende Gesellschaftskrise entsteht, sei keine komplizierte Vorgangsweise nötig. Die Therapeutin Manuela Ladstätter spricht von einer sehr einfachen Lösung: „Wenn wir eine Gesprächskultur pflegen, können wir das wieder auflösen.“

Partheymüller meint dazu, man dürfe nicht aufgeben. Die Menschen müssten informiert und aufgeklärt werden, über alle Themen, auch über die aktuelle Lage. Es würden ja in der Pandemie ständig neue Themen kommen. Die Menschen müssten informiert werden, müssten aufgeweckt werden, weil sie die gesamten Informationen brauchen würden. Sie müssten sich jetzt entscheiden: „Hole ich mir den dritten Stich? Lasse ich mein Kind impfen?“ Diese Fragen müssten beantwortet werden – auch in Form von Informationskampagnen.