Leerer großer Saal im Konzerthaus
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Kultur

Lockdown: Kultur klagt über erneuten Dämpfer

Für Frustration und Resignation sorgt der am Freitag angekündigte vierte Lockdown in der Wiener Kulturszene. Nur vereinzelt zeigt man sich erleichtert. Es müsse jedenfalls umgeplant oder gleich wieder von vorne begonnen werden.

Mit dem allgemeinen Lockdown in Österreich ist auch die Zeit der Öffnung für die Kulturinstitutionen vorerst wieder vorbei. Bis maximal 13. Dezember soll nach jetzigem Stand der Lockdown dauern. Die ersten Reaktionen aus der Kulturszene sind skeptisch, die Frustration in Teilen der Branche scheint mittlerweile hoch. Besonders getroffen von den Schließungen ist erneut das laufende Musikfestival Wien Modern, das eigentlich bis 30. November hätte dauern sollen. „Die Kultur kassiert hier die Rechnung für andere“, zeigte sich Intendant Bernhard Günther im APA-Gespräch resigniert.

Das Kulturpublikum habe in den vergangenen Wochen bewiesen, dass mit Vorsichtsmaßnahmen auch ein Alltagsleben möglich sei, ohne mit dem Risiko zu spielen: „Die Kultur hat die aktuelle Maßnahme nicht zu verantworten.“ Für Wien Modern gelte es nun, für die kommende Woche unter Hochdruck umzuplanen. „Es ist wieder schnelle Präzisionsarbeit gefragt“, so Günther. Bis Sonntag würden alle Vorhaben wie geplant umgesetzt, für die restlichen Projekte kläre man ab, ob einzelne auf die Zeit nach dem Lockdown verschoben werden könnten oder via Streaming doch realisiert werden könnten. Klar sei angesichts der Lage aber eines: „Die Frustration ist bei manchem (…) schon sehr hoch.“

Direktor Herbert Föttinger im Rahmen der Jahres-PK des Theaters in der Josefstadt und der Kammerspiele der Josefstadt mit Vorschau auf die Saisonen 2021/22 und 2022/2023 am Mittwoch, 22. Juni 2021, in Wien.
APA/ROLAND SCHLAGER
Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger ist eigentlich froh über den Lockdown

Föttinger: „Werden keine 20 Tage sein“

Im Theater in der Josefstadt stellt man ab Montag nicht nur den Vorstellungs-, sondern auch den Probenbetrieb ein. Das verkündete Intendant Herbert Föttinger. Für die zwei kommenden Premieren „Der ideale Mann“ und „Rechnitz“, die nun abgesagt werden müssen, werde es vorläufig keine neuen Termine geben, sagte Föttinger. Er will das weitere Geschehen abwarten und nicht mit dem heute bekannt gegebenen Lockdown-Ende nach 20 Tagen planen. „Ich gehe nicht davon aus, dass das nur 20 Tage sein wird und glaube auch nicht, dass die Theater unter den Ersten sein werden, die aufsperren dürfen.“ „Weil wir aber schon an der Belastbarkeitsgrenze waren, bin ich aber eigentlich froh, dass es zu dieser Lösung kommt, auch wenn sie spät kommt.“

Die in Wien nun geltende 2Gplus-Regel müsse man nun an genau drei Abenden in den Spielstätten seines Hauses durchsetzen muss. „Ich nehme das zur Kenntnis.“ Bei der Wiener Regelung, wonach auch Genesene oder Geimpfte nur mit einem gültigen PCR-Test ins Theater dürfen, handle es sich jedoch eigentlich um einen „unzumutbaren Zustand für die Besucher“.

Das Theater in der Josefstadt werde wieder Kurzarbeit anmelden und den Proben- und Werkstättenbetrieb einstellen. Die finanziellen Außenstände durch frühere Lockdowns seien deutlich geringer als ursprünglich medial kolportiert. „Wir befinden uns dazu in absolut positiven Gesprächen mit der Staatssekretärin und der Kulturstadträtin. Ich kann nur allen sagen: Machen Sie sich keine Sorgen um die Josefstadt! Es wird alles gut.“ Vielleicht nicht gerade alles. Denn, so Föttinger abschließend: „Wir werden in große finanzielle Schwierigkeiten geraten. Aber wie alle anderen Theater auch!“

„Dieses Mal war es Missmanagement“

Christian Dörfler, Kinovertreter in der Wirtschaftskammer, zeigte sich angesichts des Lockdowns zerknirscht und bezeichnete ihn als „bedauerlich“. Dieser wäre im Gegensatz zu den vorangegangenen dank Impfung nicht notwendig gewesen: „Dieses Mal war es Missmanagement.“ Man hätte z.B. 2G viel früher einführen können. Die Kinos hätten in den vergangenen Monaten viel Geld, Zeit und Arbeit investiert, um die Menschen wieder zurück vor die Leinwand zu bringen – und das mit Erfolg. „Wir hatten bisher einen sehr guten Herbst.“ So habe sein Haus, das Wiener Haydn-Kino, den drittbesten Oktober aller Zeiten verzeichnet.

Kassabereich im Haydn-Kino
ORF
Kinos hoffen auf neue Filme nach dem Lockdown

Aber auch das unmittelbare Comeback der Kinos nach dem Ende der Maßnahmen könnte sich einmal mehr als schwierig gestalten – nämlich dann, wenn nach dem Lockdown keine Filme zur Verfügung stehen, weil sich die Starts wegen etwaiger stattfindender Kulturschließungen in Deutschland oder anderen großen Märkten verzögern. Trotzdem ist Dörfler überzeugt: „Die Kinos werden auch dieses Mal wieder zurückkommen.“ Es sei halt bedauerlich, jetzt wieder von vorn anfangen zu müssen.

„Jetziger Lockdown wäre nicht nötig gewesen“

Auch Thomas Gratzer, Direktor des Wiener Rabenhof-Theaters, zeigte sich gegenüber der APA „traurig und auch wütend (auf die Bundespolitik, den unsolidarischen Teil der Gesellschaft, und vor allem jene politischen Kräfte, die zynisch und rücksichtslos die Spaltung der Gesellschaft noch befeuern)“. Der jetzige Lockdown wäre nicht nötig gewesen. Sein Haus habe sich zuletzt bezüglich des Publikumszuspruches gut entwickelt. „Jetzt reißt alles wieder ab, und wir können wieder mal zurück an den Start. Aber nachdem wir wirklich ein sehr treues und auch äußerst verantwortungsbewusstes Publikum haben, schau ich mittel-langfristig trotzdem optimistisch in die Zukunft.“

38, zum Teil hockarätige Absagen im Konzerthaus

38 Veranstaltungen sind indes alleine im Konzerthaus von einem Lockdown bis 13. Dezember betroffen, berichtet Intendant Matthias Naske der APA. Darunter seien hochkarätigste Termine wie Konzerte der Wiener Philharmoniker und Symphoniker. Man müsse sich nun wieder an die Umplanung machen, wobei er bei manchen Veranstaltungen auf Streamingoptionen hoffe, obgleich manche auch schlicht abgesagt werden müssten, wie etwa ein geplantes Weihnachtsoratorium.

Es sei traurig, aber offensichtlich sei der neuerliche Lockdown notwendig. „Wenn er am 13. Dezember endet, dann können wir damit leben – glücklich sind wir natürlich alle nicht“, so Naske. Finanziell sei für sein Haus und viele andere Kulturinstitutionen nun wichtig, dass die auf 5 Prozent gesenkte Umsatzsteuer über das Jahresende hinaus bis zumindest Saisonende fortgeführt werde. „Das hilft jenen Institutionen besonders, die sich über ihre Aktivitäten und nicht nur über die öffentliche Hand finanzieren“, unterstrich der Konzerthaus-Chef. Auch die Frage der Kurzarbeit für direkt an der Bühnenproduktion beteiligte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müsse man im Haus nun erneut andenken.

IG Autorinnen Autoren „skeptisch“

„Noch ist der letzte Lockdown nicht verdaut, und schon kommt es zu einem nächsten, der per politischem Wunschvorstellungen nur 20 Tage dauern soll, aber genauso wie die vergangenen Lockdwowns mit kompletten oder Teillockdowns sich über Monate ziehen kann“, zeigte sich auch Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren skeptisch: „Man wird das Gefühl nicht los, es werden nicht die letzten 20 Tage sein.“

Bundesweiter Lockdown ab Montag

Der vierte bundesweite Lockdown kommt: Wie Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Freitag bekanntgaben, schließen Gastronomie, Kultur- und Veranstaltungsbranche sowie Handel mit Montag. Schulen und Kindergärten sollen offen bleiben. Eine Impfpflicht ist fix – mehr dazu in news.ORF.at.