Im Forschungsprojekt GeoTief Wien wurde ein detailliertes 3D-Modell vom Wiener Untergrund erstellt. Das Modell zeigt die unterschiedlichen Gesteinsschichten unter der Stadt. Mit dem Aderklaaer Konglomerat, rund 3.000 Meter unter der Erde, konnte das Forcshungsteam ein vielversprechendes Heißwasservorkommen identifizieren. Dieses will Wien Energie für Tiefe Geothermie und damit die umweltfreundliche Wärmeversorgung in Wien nutzen.
Wien Energie/APA-Auftragsgrafik
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Wissenschaft

Großes Heißwasservorkommen unter Wien

Unter Wien befindet sich in rund 3.000 Meter Tiefe ein vielversprechendes Heißwasservorkommen. Dieses will Wien Energie in Zukunft für die Wärmeversorgung nutzen – und hat dafür ein geologisches 3-D-Modell entwickelt.

Die Wärmeversorgung ist ein wesentlicher Schlüssel für Klimaschutz in der Stadt, das hat eine Studie im Auftrag von Wien Energie aufgezeigt. Wien Energie forscht deshalb an der Nutzbarmachung von erneuerbaren Wärmequellen. Im Fokus steht dabei die Tiefe Geothermie.

Wärmeversorgung bis 2040 dekarbonisieren

Seit 2016 erforscht der Energiedienstleister im Projekt „GeoTief Wien“ gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie den geologischen Untergrund im Großraum Wien. Jetzt liegen konkrete Ergebnisse in Form eines umfassenden geologischen 3-D-Modells vor: In rund 3.000 Meter Tiefe liegt das Aderklaaer Konglomerat, ein vielsprechendes Heißwasservorkommen für die Tiefe Geothermie.

Forschungsprojekt GeoTief: Auf der Suche nach mehr umweltfreundlicher Wärme für Wien. Wien Energie startete im Februar 2017 gemeinsam mit wissenschaftlichen Partnern und anderen Unternehmen ein Projekt zur wissenschaftlichen Untersuchung des Bodens im Osten Wiens nach möglichen Heißwasservorkommen
Wien Energie/FOTObyHOFER
Mit Vibro-Truck-Messfahrzeugen wird Wiens Untergrund durchsucht

Geothermie für Wärmewende entscheidend

Fernwärme ist für die Wärmewende, also den Umstieg auf erneuerbare Wärmeversorgung, entscheidend. 2040 sollen rund 56 Prozent des Wärmebedarfs der Stadt über Fernwärme, der Rest im Wesentlichen über Wärmepumpen gedeckt werden. Die Fernwärme soll dann gänzlich klimaneutral sein.

Neben der Müllverbrennung und der Abwärmenutzung spielt dabei Geothermie eine wichtige Rolle. „Unter Wien schlummert ein riesiges Wärmevorkommen. Dieses wollen wir in Zukunft für die Wärmeversorgung nutzen. Mit dem 3-D-Modell haben wir jetzt ein detailliertes Bild vom Wiener Untergrund in der Hand und können uns an die Planung von konkreten Projekten machen. Bis 2030 wollen wir bereits bis zu 125.000 Haushalte mit Wärme aus der Tiefe versorgen können“, so Michael Strebl, Vorsitzender der Wien-Energie-Geschäftsführung.

Das Potenzialgebiet erstreckt sich oberirdisch von Donaustadt bis Simmering. In diesen Gebieten sieht Wien Energie Chancen, die Heißwasservorkommen drei Kilometer unter der Erde für die erneuerbare Fernwärme nutzen zu können. Die Forschungen schätzen ein Potenzial von bis zu 120 Megawatt thermischer Leistung.

Geotief geht in die entscheidende Phase
Wien Energie/FOTObyHOFER/Christian Hofer
Das Forschungsteam von „GeoTief Wien“ arbeitet an einer genauen Abbildung des tiefen Wiener Untergrunds

16.000 Messpunkte für Abbildung

Seit 2016 arbeitete das Forschungsteam von „GeoTief Wien“ an der bisher genauesten Abbildung des tiefen Wiener Untergrunds. In einem ersten Schritt wurden Bestandsdaten der Kohlenwasserstoffindustrie analysiert und ausgewertet. Anschließend wurden 3-D-Seismikmessungen durchgeführt. Dafür wurden etwa 2017 auf einem Gebiet von rund 175 Quadratkilometern 16.000 kabellose Sensoren ausgelegt, die seismische Reflexionen aus dem Untergrund aufgezeichnet haben.

Mit speziellen Fahrzeugen wurden dafür Schwingungen – ähnlich wie bei einem Ultraschall – in den Erdboden geschickt. 50 Terabyte Daten wurde anschließend analysiert und mit den Bestandsdaten zusammengeführt.

Ablagerungen vor 20 Mio. Jahren entstanden

Im Zuge der Analysen und Interpretation der Daten durch das Forschungsteam ist das Aderklaaer Konglomerat in den Fokus gerückt. Es kann durch die erhobenen Daten besonders gut definiert und eingeordnet werden. Bei dieser Gesteinsschicht handelt es sich geologisch um die miozäne Füllung des Wiener Beckens.

Die Ablagerungen entstanden vor rund 20 Millionen Jahren. Anhand der Modelle konnten die Lage/Ausbreitung, Geometrie, Tiefenlage, Mächtigkeit und mögliche geologische Störungssysteme im Aderklaaer Konglomerat im Untersuchungsgebiet festgelegt werden.

Bis zu 100 Grad Wassertemperatur

Die Geometrie und die bisher bekannten hydraulischen Eigenschaften des Thermalwasserreservoirs sind vielversprechend. Bei einer Tiefe von rund 3.000 Metern sollte die Wassertemperatur im Aderklaaer Konglomerat bis zu 100 Grad Celsius liegen und könnte sich damit für die Nutzung für die Wiener Fernwärme eignen. Endgültige Gewissheit gibt jedoch immer nur eine Erkundungsbohrung. Bevor der Beschluss zur Umsetzung einer Geothermieanlage fällt, werden bis zum Frühjahr 2022 parallel zu ersten Planungsschritten noch weitere Forschungsarbeiten durchgeführt.

„‚GeoTief Wien‘ ist das umfassendste Geologieforschungsprojekt, das es in Österreich jemals gegeben hat. Nachdem wir nun ein Potenzialgebiet identifiziert haben, werden wir uns dessen Eigenschaften mit einer Untersuchung eines alten Bohrlochs noch genauer ansehen. Wenn diese Ergebnisse vorliegen, haben wir alle Vorarbeiten geleistet, die zur geologischen Risikominimierung möglich sind“, erläuterte Wien-Energie-Geschäftsführer Karl Gruber.

Forschungstest in Essling

Mit einem praktischen Test in Essling ist das Forschungsprojekt „GeoTief Wien“ in seiner vorerst letzten Phase. Seit Oktober bis Ende des Jahres 2021 werden am ehemaligen Erkundungsbohrplatz von Wien Energie Untersuchungen durchgeführt, die weitere Informationen zu den Gesteinseigenschaften im Aderklaaer Konglomerat liefern sollen.

Im Fokus stehen etwa die Durchlässigkeit des Gesteins sowie die chemische Zusammensetzung des Thermalwassers. Für den Test sind ein mobiler Kran sowie drei große Wasserbecken errichtet. Im Zuge des Tests wird Wasser über eine Pumpe gefördert und in die Becken geleitet. Nach Abschluss der Arbeiten wird die Forschungsanlage vollständig abgebaut und das Bohrloch wieder verschlossen.