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ORF.at/ Roland Winkler
ORF.at/ Roland Winkler
Medien

Stadt Wien muss Inseratenkosten offenlegen

Ein dreijähriger Rechtsstreit um intransparente Inseratengeschäfte ist zu Ende. Laut Verwaltungsgericht Wien musste die Stadt offenlegen, dass für ein vom Bohmann-Verlag produziertes Heftchen 170.720 Euro an Steuergeld fällig wurden. Die Stadt spricht von irreführender Berichterstattung.

Im Dezember 2017 dokumentierte die Rechercheplattform „Dossier“ erstmals die intransparente Inseratenvergabe an den Bohmann-Verlag. Im Zeitraum 2012 bis 2017 fand „Dossier“ 13 ähnliche Fälle aus dem Hause der Dietrich Medien Holding GmbH (die den Bohmann-Verlag 2004 übernommen hat), hinter der Gerhard Milletich, seit kurzem ÖFB-Präsident, und Gabriele Ambros stehen. Beide, so „Dossier“ in einer Aussendung, seien mit der SPÖ eng vernetzt und machten schon lange lukrative Geschäfte mit der Stadt.

Gesetzeslücke ausgenützt

Bei den Geschäften wird laut der Rechercheplattform eine Gesetzeslücke im Medientransparenzgesetz ausgenützt. Inseratengeschäfte müssen demnach nicht gemeldet werden, wenn das Medium seltener als viermal pro Jahr erscheint. Derselbe Umgehungstrick taucht laut „Dossier“ auch in der aktuellen Affäre rund um Inserate des Finanzministeriums auf. Hier ging es um zwei nicht periodische Medien aus dem Hause Fellner rund um die Machtübernahme von Sebastian Kurz in der ÖVP.

Ein weiteres Gerichtsverfahren zeigt für „Dossier“ die Dimension der von der Stadt Wien nicht gemeldeten Inseratengeldflüsse auf: Es geht dabei um 16.954 Belege zu mutmaßlichen Inseratengeschäften, die vom 1. Quartal 2017 bis zum 1. Quartal 2021 nicht gemeldet wurden. Die Belege händisch zu durchforsten und danach offenzulegen, sei „wirtschaftlich nicht gerechtfertigt“, argumentierte die Stadt. Für „Dossier“ verwundert das: Um korrekte Meldungen der Medientransparenzdaten abgeben zu können, müssen ohnehin einmal im Quartal alle Inseratengeschäfte ausgewertet werden.

MA 53: „Irreführende dossier.at-Berichterstattung“

„Die Vergabe von Inseratenschaltungen durch die Stadt Wien erfolgt nach klaren und nachvollziehbaren Kriterien und unter Einhaltung aller rechtlichen Vorschriften“, erklärte der Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien (MA 53) in einer schriftlichen Reaktion. Die Vorgaben des Medientransparenzgesetzes (MedKF-TG) würden vollständig eingehalten. Weder würden wie im Artikel geschrieben „geheime Geschäfte gemacht“, „vorbeigeschleust“, „Lücken genutzt“ oder „Tricks gemacht“, sondern die Vorgaben des MedKF-TG befolgt.

Dienststellenleiter Martin Schipany sagte, dass „mit einer solchen Wortwahl anscheinend bewusst versucht wird, das Bild eines unrechtmäßigen Vorgangs zu zeichnen und Werbemaßnahmen ganz generell in ein schiefes Licht zu rücken“. Die dossier.at-Darstellung des aktuell noch laufenden Verfahrens sei ebenfalls mutwillig selektiv gehalten worden. Die angeführten 16.954 Belege enthielten nämlich auch all jene Belege, die bereits der RTR gemeldet worden seien. Daher hätten diese Belege allesamt einzeln überprüft werden müssen, um eine korrekte Auskunft gemäß Auskunftspflichtgesetz geben zu können, worin sich auch der geschilderte Verwaltungsaufwand niederschlägt.

Kritik von Oppositionsparteien

Die ÖVP zeigte sich angesichts dessen empört. „Die SPÖ-geführte Bundeshauptstadt Wien hat die nun ans Tageslicht gekommenen geheimen Inserate-Deals, mit denen mutmaßlich ihr nahestehende Verlagshäuser regelrecht angefüttert wurden, umgehend aufzuklären“, forderte der Wiener ÖVP-Abgeordnete und Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl in einer Aussendung. Illegales vermutete die FPÖ: „Eine anonyme Sachverhaltsdarstellung liegt auf dem Tisch. Auch die Inseratenpraxis der Stadt rund um den sozialen bzw. geförderten Wohnbau muss ausgeleuchtet werden“, meinte Wiens FPÖ-Landesparteiobmann Dominik Nepp und attackierte auch die NEOS als SPÖ-Koalitionspartner.

Von den Grünen kam via Twitter Kritik: „SPÖ Wien inseriert Stadt Wien Geld bei SPÖ Freunden und zeigt keinen einzigen Beleg her. Der Koalitionspartner @NeosWien wird angelogen wie wir zuvor. Das Verwaltungsgericht Wien zwingt jetzt die Stadt, vulgo die SPÖ, diese Daten offenzulegen“, kommentierte Klubchef David Ellensohn die Causa. Gleichzeitig betonte er: „ÖVP und SPÖ machen dasselbe. Inserieren und auf gute Berichterstattung ‚hoffen‘. Kurz und Ludwig in dieser Frage nicht unterscheidbar, Ludwig gibt sogar mehr pro Kopf aus.“

NEOS sieht Kritik bestätigt

Der Koalitionspartner der SPÖ meldete sich ebenfalls per Aussendung. Der Bericht bestätige die jahrelange Kritik von NEOS, sagte NEOS-Wien-Klubobfrau Bettina Emmerling: „Wir haben immer schon volle Aufklärung verlangt – an dieser Position hat sich nichts geändert.“ Mit Eintritt von NEOS in die Stadtregierung habe man auch auf eine Neuausrichtung der Medienpolitik gepocht, so Emmerling. „Das geplante Transparenzpaket soll sicherstellen, dass solche Deals nicht mehr möglich sind.“