Die große, musikalische Feier zum 75er muss entfallen, eigentlich hätte Rudolf Buchbinder Mittwochabend an der Seite der Wiener Philharmoniker in seinem zweiten Wohnzimmer, dem Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, mit einem Festkonzert seinen runden Geburtstag begangen. Doch das Coronavirus macht auch hier einen Strich durch die Rechnung. Zumindest geplant ist eine Feier für den 8. Dezember in München.
Flexibilität ist Rudolf Buchbinder gewöhnt und die Erfahrung dazu hat er. Schließlich wurde der Pianist einst schon mit fünf Jahren der jüngste Student, der jemals an der Wiener Musikhochschule aufgenommen wurde. Geboren wurde der nahende Jubilar allerdings nicht in der Bundeshauptstadt, sondern am 1. Dezember 1946 im böhmischen Leitmeritz. Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte der hochbegabte Bub, der immerhin in Wien aufwuchs, dann mit neun Jahren.

Zahlreiche Auszeichnungen für Solokarriere
Ab 1958 studierte er bei Bruno Seidlhofer, der auch Friedrich Gulda ausbildete. Als Pianist des Wiener Trios errang er 1961 den 1. Preis beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD in München. Zunehmend widmete er sich danach seiner Laufbahn als Solist, die ihn mit Auszeichnungen wie der Lipatti-Medaille (1962), dem Van-Cliburn-Preis (1966), dem 1. Preis beim Beethoven-Klavierwettbewerb (1967) oder dem Grand Prix du Disque für die Aufnahme sämtlicher Klavierwerke von Joseph Haydn (1976) schnell in den Zenit der Zunft führte.
Dieser Erfolg kommt jedoch nicht von ungefähr, sondern ist das Resultat großer Strebsamkeit und Gründlichkeit, die mit Leidenschaft kombiniert ist. Das merken nicht nur Besucher seiner Villa in Wien-Döbling, wo er eine reiche VHS-, DVD- und CD-Sammlung sein Eigen nennt und sich Partituren, Platten und Bücher in strenger Ordnung über die Regale ziehen.
Auch dem Konzertbesucher entgeht Buchbinders Hang zum Kompletten nicht: Den kompletten Zyklus aller 32 Klaviersonaten Beethovens hat er bereits weit über 60 Mal gespielt, sein Livezyklus sämtlicher 27 Mozart-Klavierkonzerte mit den Wiener Symphonikern fand großen Beifall. Und im Beethoven-Jubiläumsjahr 2020 ließ er mit dem Projekt „Diabelli 2020“ aufhorchen, bei dem er die Variationen des Komponisten mit neugeschriebenen von zeitgenössischen Kollegen kontrastierte.

Über 200 Platten- und CD-Einspielungen
Gründlich pflegt der passionierte Sammler und Amateurmaler auch seine Konzertprogramme vorzubereiten. Bei der Quellenforschung kann er nicht zuletzt auf das eigene Archiv zurückgreifen. Buchbinder, der gelegentlich auch selbst dirigiert, verfügt unter anderem über rund 30 Ausgaben der Beethoven-Sonaten und hat eine umfangreiche Sammlung von Erstdrucken und Originalausgaben. Sein Repertoire ist ungewöhnlich umfangreich und mit über knapp 200 Platten- und CD-Einspielungen dokumentiert.
Dies alles klingt nicht nach viel Freizeit, und doch startete Buchbinder 2007 eine weitere Karriere: Als künstlerischer Leiter des Musik-Sommers und Musik-Festivals Grafenegg machte er die Institution innerhalb weniger Jahre zu einem Fixpunkt auf dem Kulturkalender. Musikalische Weltstars kommen ebenso gerne wie das Publikum auf das malerische Schlossareal, in dem neben einem Auditorium mit der Freiluftbühne „Wolkenturm“ auch ein architektonisches Wahrzeichen lockt. Und der neu etablierten Klassikinstitution bleibt der Gründungsintendant laut aktueller Vertragsverlängerung auch zumindest bis 2024 treu.
ORF würdigt Rudolf Buchbinder
Der ORF zeigt anlässslich des Geburtstags von Rudolf Buchbinder am 8. Dezember im Rahmen der „matinee“ auf ORF 2 ab 9.50 Uhr das aus 2016 stammende Porträt „Rudolf Buchbinder – Auf der Suche nach Vollendung“ , danach folgt um 10.40 Uhr eine Aufzeichnung des Beethoven-Konzerts für Klavier und Orchester Nr. 1 aus 2011 aus dem Goldenen Saal mit den Wiener Philharmonikern.
Erlebnis Bühne: André Hellers Hauskonzerte: Rudolf Buchbinder
In seinem Wohnzimmer trifft Multitalent André Heller einen der beliebtesten Pianisten Österreichs: Rudolf Buchbinder. In der intimen Atmosphäre von Hellers Privatwohnung spielt Buchbinder Werke von Schubert und Beethoven, darunter die berühmte „Pathétique“. Der Hausherr selbst wird durch den Abend führen.
Die Deutsche Grammophon hat bereits im Herbst die Edition „Buchbinder:Beethoven“ veröffentlicht, die eine Gesamtaufnahme der 32 Klaviersonaten sowie der fünf Klavierkonzerte enthält. Aber auch vor diesen Feierlichkeiten war Rudolf Buchbinder bereits vielfach geehrt, darunter etwa mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, der Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold und dem Goldenen Ehrenzeichen des Landes Salzburg. Er ist seit 2008 Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde und seit 2016 Ehrenmitglied der Wiener Philharmoniker.