Leonore Gewessler
APA/Herbert Neubauer
APA/Herbert Neubauer
Politik

Lobautunnel kommt nicht

Der Lobautunnel wird nicht gebaut, das hat Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Mittwoch bekannt gegeben. Sie beendete damit vorerst ein jahrzehntelang geplantes Projekt. Jetzt wird mit Klagen der Stadt gerechnet.

„Die Lobauautobahn mit dem Tunnel durch das Naturschutzgebiet wird nicht gebaut“, sagte Gewessler bei der Pressekonferenz. Alle Planungs- und Baumaßnahmen werden eingestellt. Vor gut einem Jahr habe ihr Ministerium mit einer Überprüfung aller ASFINAG-Projekte begonnen. „Mehr Straßen bedeutet mehr Autos. Mehr Straßen führt zu mehr Verkehr“, fasste Gewessler die Meinung der Expertinnen und Experten zusammen.

Stadtstraße und S1-Spange könnten gebaut werden

Die Stadtstraße, die von der Stadt Wien errichtet werden soll, ist von diesem Klimacheck nicht umfasst, da es sich um kein ASFINAG-Projekt handelt. Sollte die Stadt die Stadtstraße bauen wollen, so werde die ASFINAG auch die S1-Spange im Norden der Stadt errichten, kündigte Gewessler an. Dazu soll es Gespräche mit der Stadt Wien und dem Land Niederösterreich geben.

Die Verkehrsministerin hatte im Sommer alle Neubauprojekte der ASFINAG zumindest bis zum Herbst vorläufig auf Eis gelegt, um sie auf ihre Vereinbarkeit mit den Zielen des Regierungsprogramms zu überprüfen. In Wien und in Niederösterreich war hier die S1 mit dem Lobautunnel und der Spange in die Seestadt Aspern betroffen. Umstritten ist vor allem der 8,2 Kilometer lange Tunnel unter der Donau und der Lobau, gegen den Umweltschutzgruppen seit Jahren protestieren.

Klimakrise als „größte Herausforderung“

Die Evaluierung habe auch bedeutet, einen umfassenden Klimacheck vorzunehmen, betonte die Ministerin – die sich erfreut zeigte, dass der Abschluss wie vorgesehen im Herbst gelungen sei. „Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Generation“, beteuerte sie. Man entscheide darüber, ob man eine Welt „voller Beton und voller Zerstörung“ oder mit Zukunft und Chancen hinterlasse.

Jene Menschen, die heute für das Klima auf die Straße gehen, würden in 20 oder 30 Jahre fragen, was man getan habe, um das Klima zu retten. „Ich spüre diese Verantwortung.“ Sie wolle nicht in 30 Jahren sagen, es habe ihr im entscheidenden Moment der Mut gefehlt, betonte Gewessler.

Weitere Straßen löst Stau nicht auf

„Wir haben bei diesen Klimachecks erstmals nicht so wie bisher weitergemacht“, versicherte sie. Die Auswirkungen auf Klima, Flächenverbrauch und Infrastruktur habe man sich ebenfalls angesehen. Und: Weitere Straßen bauen, löse den Stau nicht auf, gab Gewessler zu bedenken.

Seit Beginn der Planungen vor rund 30 Jahren hätten sich die Rahmenbedingungen umfassend verändert. Viele der Annahmen und Argumente von damals seien heute nicht mehr zutreffend. Sie erinnerte daran, dass es auch Pläne gegeben habe, in Wien eine Autobahn bis zum Karlsplatz zu führen. Heute, wenn man über den Naschmarkt gehen, sei man froh, dass dies nicht geschehen sei: „Ich bin überzeugt, genau diesen Mut müssen wir heute auch beweisen.“

Blümel erwartet rasch Gespräche

Der Koalitionspartner der Grünen, die ÖVP, fordert nach dem Aus für den Lobautunnel Gespräche über das weitere Vorgehen. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), der das Projekt stets befürwortet hat, hielt in einer Stellungnahme fest, dass sich seine Haltung grundsätzlich nicht geändert habe: „Es handelt sich um ein wichtiges und wesentliches Infrastrukturprojekt, das sowohl Anrainer entlastet als auch den Standort stärkt.“

„Wie auch bei der Steuerreform gehe ich davon aus, dass man auch bei diesem Thema einen gemeinsamen Weg als Bundesregierung findet“, sagte der Minister. „Zumal es für das Bauprogramm der ASFINAG auch das Einvernehmen mit dem BMF braucht“, fügte er hinzu. „Ich erwarte, dass die entsprechenden Gespräche auf Expertenebene umgehend aufgenommen werden, um eine Lösung zu erzielen“, hielt er fest.

Ludwig fehlen Alternativen

Nach dem Bau- und Planungsstopp für den Lobautunnel übt der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) scharfe Kritik an der Entscheidung. Er sieht das als „Schlag gegen die Lebensqualität in der Stadt“. Er erwartet sich von der Verkehrsministerin Alternativen. Unmittelbare rechtliche Schritte – wie Ludwig sie im Vorfeld in den Raum gestellt hatte – wird es jedoch nicht geben, zunächst müssten Juristen die Entscheidung überprüfen.