Kurz bei Pressekonferenz
APA/Herbert Neubauer
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Politik

Kurz-Abgang: Klugheit, Frust, Erkenntnis

Ex-Kanzler Sebastian Kurz verlässt die Politik. Die ÖVP zollt ihrem scheidenden Obmann Respekt. Hochrangige (Ex-) Politiker der Partei und Politikberater sehen eine breite Palette an Gründen für den Rücktritt.

Erhard Busek
APA/Robert Jäger
Busek: „Dampf ist draußen“

„Es ist das Klügste, was er tun konnte“, meinte der frühere ÖVP-Vizekanzler, Vizebürgermeister und Parteichef Erhard Busek. Anderenfalls hätte Kurz mit Prozessen und Untersuchungsausschüssen rechnen müssen. Nun sei der Dampf draußen. Für den Nachfolger gebe es jetzt auch viele weitere Probleme wie das Verhältnis zum Koalitionspartner, den Grünen. Wenn die Grünen schwieriger werden, gebe es auch Alternativen. „Kann sein, dass wir in alte Zustände zurückkommen, in eine Koalition von SPÖ und ÖVP“, so Busek.

Görg über Lust oder Frust als Rücktrittsgrund

Er habe nichts in Richtung Regierungsumbildung oder Kanzlerrücktritt gehört, es scheine ihm aber sehr plausibel zu sein, sagte der ehemalige Chef der Wiener ÖVP, Bernhard Görg. Er glaube auch nicht an einen Rücktritt von Gernot Blümel als Wiener Landesparteichef. Allerdings „Fällt der Herzog, fällt manchmal auch der Mantel“, so Görg mit dem Hinweis darauf, dass Blümel der engste Vertraute von Kurz war. Auszuschließen sei ein Rücktritt also auch nicht.

Einen Rücktritt von Kurz hätte er vor vier Wochen noch ausgeschlossen, so Görg weiter. In den letzten Tagen sei ihm aber aufgefallen, dass Kurz extrem still gewesen sei, „was gar nicht seine Art ist“. Über die Gründe seines Rücktritts lasse sich jetzt nur spekulieren. Wenn sich aber in zwei Monaten herausstelle, dass Kurz in die Chefetage eines großen Unternehmens eintrete, „dann würde ich sagen, da war einfach die Lust, da etwas Neues zu tun. Wenn das nicht der Fall ist, dann muss man schon daran denken, dass da viel Frustration bei diesem Schritt dabei gewesen ist“, sagte Görg.

Hofer: „Geht sich politisch nicht mehr aus“

Einige andere Gründe für den Rücktritt von Sebastian Kurz nannte Politikberater Thomas Hofer in „Wien heute“. Die Chataffäre sei ein „ganz massiver Beweggrund“ dafür gewesen. Aber es habe sich bereits im Oktober abgezeichnet und jetzt hätten Kurz und sein Umfeld eben gesehen, dass es sich politisch nicht mehr ausgeht. Selbst wenn er noch einmal die ÖVP in eine Wahl geführt hätte und selbst wenn er noch einmal eine relative Mehrheit erreicht hätte: Wer hätte ihn dann zum Kanzler gemacht, stellte Hofer in den Raum. Auch die Landesparteien seien wieder stärker geworden. Und mit der neuen privaten Situation „ist dann einfach die Entscheidung gereift, sich das dann doch nicht mehr anzutun“.

Analyse von Politologe Thomas Hofer

Politologe Thomas Hofer erklärt, was der Rücktritt von Kurz für Österreichs Innenpolitik bedeutet.

Ob der enge Vertraute Gernot Blümel ebenso zurücktreten könnte, wisse er nicht, so Hofer. Aber sollte Innenminister Karl Nehammer zum neuen Kanzler und zum ÖVP-Parteiobmann gekürt werden, werde dieser sicher ein Team zusammenstellen, das von den Affären nicht berührt worden ist. Insofern sei ein Rücktritt Blümels denkbar.

Wiener ÖVP: Dank für zehn Jahre Spitzenpolitik

„Sebastian Kurz hat die Volkspartei maßgeblich geprägt. Und das nicht nur durch seine Politik, sondern vor allem auch als Person“, sagten Landesgeschäftsführerin Stadträtin Bernadette Arnoldner und Klubobmann Markus Wölbitsch. Die positiven Erneuerungen, die Kurz in die Strukturen der Volkspartei gebracht habe, würden Fundament für die zukünftige Linie der ÖVP-Politik sein. Die Karriere von Sebastian Kurz begann in der Jungen ÖVP Wien, „wo sein politisches Talent schnell erkannt“ worden sei. 2011 wechselte er in die Bundespolitik: "Sebastian Kurz war Brückenbauer und hat durch seine Art Politik zu leben, Österreich definitiv besser gemacht“, so beide abschließend.

Korosec: „Zutiefst persönliche Entscheidung“

Es sei seine zutiefst persönliche Entscheidung, sich aus der Politik zurückzuziehen und zu respektieren, meinte die Wiener Gemeinderatsabgeordnete und Seniorenpräsidentin der ÖVP, Ingrid Korosec. „Als Mutter und Großmutter kann ich gut nachvollziehen, dass die Geburt eines Kindes einen besonderen Einschnitt im Leben eines jungen Menschen darstellt“. Sie fände es jedenfalls schade, dass das Talent Sebastian Kurz der Politik verloren gehe und danke ihm im Namen der Seniorinnen und Senioren für seine Arbeit für die ältere Generation.

Sebastian Kurz verlässt Politik

Am Donnerstag hat Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz bestätigt, dass er der Politik den Rücken kehrt und nun auch als ÖVP-Parteiobmann zurücktritt.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) wollte sich etwa nicht zu einer „privaten Angelegenheit“ äußern. Die anderen Parteien reagierten eher zurückhaltender auf den Rücktritt von Kurz – mehr dazu in Kurz-Abgang als Knalleffekt (ORF.at) und in Kurz-Rücktritt: Kritik und Gratulation (ORF.at).