Gernot Blümel bei Pressestatement
APA/Hans Punz
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Politik

Auch Gernot Blümel tritt ab

Nach dem Rückzug von ÖVP-Chef Sebastian Kurz aus allen politischen Ämtern hat am Donnerstagabend auch Finanzminister Gernot Blümel seinen Rücktritt erklärt: „Ich habe mich dazu entschieden, die Politik zu verlassen“, teilte er via Social Media mit.

Er tue dies vor allem für seine Familie, die aufgrund seiner politischen Tätigkeit immer wieder mit Morddrohungen konfrontiert gewesen sei. Immer wieder habe er darüber mit seiner Frau gesprochen, aber nie eine endgültige Entscheidung getroffen. Die Geburt seines zweiten Kindes habe zu seinem Nachdenkprozess beigetragen, doch den Anstoß für seinen „endgültigen Beschluss“ habe der nunmehrige Rücktritt Kurz’ gegeben, so dessen langjähriger Weggefährte. „Es war mir eine Ehre“, so sein Abschiedssatz.

Karl Mahrer soll ÖVP Wien übernehmen

Blümel, gegen den die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in der Causa Casinos ermittelt, geht auch als Wiener Landesparteichef. Wie der „Kurier“ berichtete, wird der Nationalratsabgeordnete Karl Mahrer vorerst die Landespartei anführen. Alle anderen Spitzenfunktionäre, darunter Klubchef Markus Wölbitsch und Geschäftsführerin Bernadette Arnoldner, bleiben im Amt. Bestellt wird Mahrer vom Landesparteipräsidium am Freitagnachmittag. Als neuer Finanzminister im Gespräch ist wie schon öfters Nationalbank-Vizegouverneur Gottfried Haber.

Ob Blümel freiwillig geht, wird wohl unterschiedlich beantwortet werden. Offenkundig ist, dass die ÖVP einen Bruch zur türkisen Zeit will und der Finanzminister für diese steht wie außer Kurz kein anderer. Zudem ist Blümel beschädigt durch die Ermittlungen der Justiz im ÖVP-Umfeld und publik gewordene – freundlich ausgedrückt – saloppe Chats mit dem nun auch schon länger abgelösten ÖBAG-Chef Thomas Schmid.

Socken, Wiener Wahlsieger, Hausdurchsuchung

Blümel wirkte in seinem politischen Leben immer etwas kühler als Kurz, manche nannten es auch herablassender. Symbolisch dafür steht, als er einst in Socken durch den Plenarsaal schritt, für nicht wenige Abgeordnete Ausdruck der Respektlosigkeit. Andere schätzten ihn als intelligenten Gesprächspartner, selbst jene aus anderen Fraktionen, zudem war ihm politisches Geschick durchaus gegeben. Schließlich konnte Blümel sogar vor dem Wählervolk punkten, was dem stets etwas reservierten Wiener viele nicht zugetraut hätten. Mehr als 20 Prozent bei der Wien-Wahl holte die ÖVP unter Blümel.

Blümel
ORF.at/ Roland Winkler
Bei der Wien-Wahl im Oktober 2020 überraschte Blümel mit einem Plus von mehr als elf Prozentpunkten

Die Kommunalpolitik schien Blümel aber stets eher Beiwerk, wohler fühlte er sich im Bund – ob als Generalsekretär der Bundespartei, als der er von Michael Spindelegger aus dem Hut gezaubert wurde, oder unter Türkis-Blau als Minister im Kanzleramt oder zuletzt mit den Grünen als Finanzminister. Als solcher musste er sich anfangs der Pandemie viel anhören, zu spät die Hilfe, zu wenig und zu geizig. Diese Kritik hat sich mittlerweile abgeschwächt.

Als Pluspunkt seiner Ära verbuchen kann Blümel den Einstieg in die CO2-Bepreisung bei gleichzeitiger Entlastung von Wirtschaft und Arbeitnehmern. Wohl am ärgerlichsten für ihn ist, dass der konsolidierte Staatshaushalt als Ziel in Corona-Zeiten bestenfalls ein Wunschtraum war. Unglücklicher agierte Blümel sowieso an Nebenfronten. Ein allgemein als präpotent empfundener Auftritt im U-Ausschuss hängt ihm bis heute nach. Das gilt umso mehr für eine Hausdurchsuchung bei ihm daheim im Zusammenhang mit Parteispenden-Vorwürfen.

Seit Oktober 2015 Obmann der Wiener ÖVP

Was Blümel künftig macht, man weiß es nicht. Als Cartellbruder und durch seine vielfältige politischen Kontakte wird der studierte Philosoph und Flügelhornspieler wohl genug Verbindungen haben, um da oder dort einen Fuß in ein erfolgreiches Privatwirtschaftsleben setzen zu können. Mehr Zeit für die Familie wird da für den langjährigen Vielarbeiter auch abzuzwacken sein. Blümel lebt seit vielen Jahren mit einer Journalistin zusammen. Das Paar hat zwei Kinder.

Gernot Blümel, geboren am 24. Oktober 1981 in Wien, wuchs in Moosbrunn auf. Er studierte Philosophie sowie an der Executive Academy der WU. Von 2008 bis 2010 war er Vizepräsident der Jungen Europäischen Volkspartei, ab Dezember 2013 Generalsekretär der ÖVP, seit Oktober 2015 Obmann der Wiener Volkspartei. Von Dezember 2017 bis Juni 2019 betreute er als Kanzleramtsminister die Agenden Kunst, Kultur, Medien und EU, ab Jänner 2020 war Blümel Finanzminister.