Christoph Wiederkehr mit Blumenstrauß auf Bühne
APA/NEOS Wien
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Politik

NEOS: Wiederkehr mit 96 Prozent bestätigt

Der Landessprecher der Wiener NEOS, Christoph Wiederkehr, ist heute im Rahmen einer Online-Mitgliederversammlung der Wiener NEOS wiedergewählt worden. 95,7 Prozent der Teilnehmer votierten für ihn.

Im Rahmen des Events, das mit einem Parteitag vergleichbar ist, stellte sich Wiederkehr erstmals der Wiederwahl. Die Spitzenfunktion hat er seit 2018 inne. Wiederkehr war damals auf Landessprecherin Beate Meinl-Reisinger gefolgt, die – nach dem Abgang von Matthias Strolz – neue Bundesparteichefin wurde. Wiederkehr hat damals 97,8 Prozent der Delegiertenstimmen erhalten.

Kurz-Rücktritt „das einzig Richtige“

Wiederkehr bedankte sich nach dem Online-Voting: „Ich freue mich über den großen Rückhalt für unseren Kurs, mit Mut und Zuversicht für den Fortschritt in Wien zu kämpfen und auch, in diesen schwierigen Zeiten, mit ruhiger Hand und Stabilität zu regieren.“ Die große Unterstützung und der Rückhalt ehre ihn. Dies sei die Basis dafür, Wien gestalten zu können.

Das Gestalten dürfe nie Selbstzweck sein, befand er. Die Demut gegenüber dem Amt und der Funktion sei „zentral“. Das genaue Gegenteil sei auf Bundesebene zu erkennen. Man sehe ein türkises System, das jetzt zu Ende gegangen sei – gescheitert an Machenschaften und an Korruptionsskandalen, sagte Wiederkehr. Es sei gut für das Land, dass Ex-Kanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP, Anm.) zurückgetreten seien. „Das ist das einzig Richtige gewesen.“

Lockdown als Zeichen des Scheiterns der Regierung

Das heiße aber noch lange nicht, dass das System und die Korruptionsvorwürfe aus der Welt seien. Immerhin sei auch die ÖVP als Beschuldigte geführt, gab der Wiener NEOS-Chef zu bedenken. „Der türkise Luftballon ist geplatzt, und es ist nicht mal heiße Luft drinnen. Es ist Leere und Kälte.“ Und dies geschehe mitten in einer Pandemie, wo geschlossenes Management nötig wäre, kritisierte er. Dem Virus sei es nämlich egal, wie viele Kanzler es gebe.

Der aktuelle Lockdown sei ein Zeichen des Scheiterns der Bundesregierung. Wiederkehr propagierte in seiner Rede Wien als Gegenmodell. „Wir haben einen achtsamen Weg gewählt.“ Es sei der Wunsch gewesen, einen Lockdown zu verhindern. Darum habe man schon im Sommer Maßnahmen gesetzt.

„Nicht um zu sudern“

Ihm sei es besonders wichtig gewesen, darauf zu pochen, dass die Schulen offen und sicher seien. „Es gab viele, die gesagt haben, macht doch die Schulen zu in dieser vierten Welle.“ Doch es sei wichtig gewesen, dies nicht zu tun, befand er. Zugleich habe man auf regelmäßiges PCR-Testen gesetzt. Wiederkehr bedankte sich bei den Lehrerinnen und Lehrern sowie bei den Schulleitungen: „Die Pandemie ist eine unglaubliche Belastung. Hier wird Großartiges geleistet.“

Die NEOS hätten sich gegründet, „nicht um zu sudern“, versicherte Wiederkehr. Es klar gewesen, dass man mitregieren wolle. Sein Anspruch sei, konstruktiv und sachlich zu arbeiten und nicht im politischen Hick-Hack unterzugehen. Natürlich sei es nicht immer einfach, gestand er ein. Erst recht als kleiner Koalitionspartner müsse man sich immer wieder durchsetzen: „Regieren ist hart, aber regieren ist auch verdammt geil, weil es unsere Verantwortung ist, zu gestalten.“

Rund 700 Stimmberechtigte

Der Wiener NEOS-Chef bekleidet in der Bundeshauptstadt inzwischen das Amt des Vizebürgermeisters, nachdem die SPÖ sich im Vorjahr für eine Koalition mit den Rathaus-Pinken entschieden hatte.
Wiederkehr hat bei der Wien-Wahl 2020 7,5 Prozent der Stimmen erhalten, was immerhin ein kleines Plus von 1,3 Prozentpunkten bedeutete.

Bei der Versammlung in der Ankerbrotfabrik in Favoriten waren nur Medienvertreter sowie neben Wiederkehr die Kandidatinnen und Kandidaten für weitere Funktionen anwesend. Alle anderen waren per Livestream mit dabei. Von den mehr als 1.000 Wiener Parteimitgliedern waren rund 700 stimmberechtigt. Abgestimmt wurde nicht nur über den Parteichef. In der Versammlung wurde auch über das Landesteam und das erweiterte Landesteam, also den Parteivorstand, entschieden.

Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS) und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ)
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Christoph Wiederkehr, NEOS (l.) und Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ)

Das neue Landesteam

Stellvertreter von Wiederkehr wurde neuerlich NEOS Wien Landtagsabgeordneter Markus Ornig. Landesfinanzreferent bleibt Andreas Köb. Die weiteren Mitglieder des Landesteams sind NEOS Wien Klubobfrau Bettina Emmerling, die Nationalratsabgeordneten Stefanie Krisper und Yannick Shetty sowie Landtagsabgeordnete Selma Arapovic.

Das Erweiterte Landesteam komplettieren Landtagsabgeordneter Stefan Gara, die Bezirksrätinnen Jing Hu (Donaustadt), Johanna Adlaoui-Mayerl (Stv. Klubvorsitzende Margareten), Maria In der Maur-Koenne (Klubvorsitzende NEOS Landstraße) und Johannes Bachleitner (Klubvorsitzender Hietzing) sowie der Kommunikationsexperte Lukas Burian.

Juniorpartner in Rathaus-Koalition

NEOS bildet gemeinsam mit der SPÖ in Wien die Stadtregierung. Wiederkehr ist Vizebürgermeister sowie Stadtrat für Bildung und Jugend. Im Regierungsteam ist Wiederkehr mit Abstand der Jüngste. Politikerfahrung hat er trotzdem schon einige gesammelt, sitzt er doch seit fünf Jahren im Stadtparlament. Geboren wurde Wiederkehr am 12. April 1990 in Salzburg. Nach der Matura 2009 zog es den einstigen Schulsprecher zum Studium der Rechtswissenschaften sowie der Politikwissenschaften – letzteres hat er inzwischen als Master beendet – nach Wien.

Er engagierte sich bald für die studentische NEOS-Vorfeldorganisation JUNOS, deren Team er drei Jahre lang leitete. Daneben war er Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof. Schon im Wahlkampf bot er sich der SPÖ offensiv als kritischer Partner einer „Reformkoalition“ an. In der Öffentlichkeit verhält sich Wiederkehr eher ruhig denn polarisierend. Schriller Aktionismus ist von ihm ebenso wenig überliefert wie verbale Fettnäpfchen.

Wenn der Pinke die FPÖ einmal die „Aluhut-Fraktion des Gemeinderats“ nennt – so geschehen im Zuge einer CoV-Debatte im Mai –, ist das eher schon das höchste der Gefühle. Grundsätzlich versucht der bekennende Morgenmuffel, die NEOS als seriöse Oppositionspartei fern jeglichen Populismusverdachts – Stichwort: konstruktive Kritik – zu positionieren.