Blick auf das Lobau-Protestcamp am Stadtrand von Wien am Freitag, 10. Dezember 2021.
APA/GEORG HOCHMUTH
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Chronik

Aspern-Besetzer: Stadt fordert Abzug

Das Rathaus hat die Besetzerinnen und Besetzer der Stadtstraßen-Baustelle in der Donaustadt zum Abzug aufgefordert. Die Aktivisten wollen aber trotz angedrohter Konsequenzen bleiben.

„Sehr geehrte/r [Adressat*in], wir vertreten die Stadt Wien in der gegenständlichen Rechtssache. Nach Information unserer Mandantin beteiligen Sie sich gemeinsam mit anderen Aktivist*innen an der Behinderung der Bauführung zur Errichtung der Stadtstraße Aspern. Dazu ist Folgendes zu sagen…“ beginnt das Schreiben der Stadt. Weiters werden darin die rechtlichen Folgen für die Besetzer aufgelistet. Das offizielle Schreiben wurde am Freitag einem Besuch der Polizei am Donnerstag nachgereicht, bei dem die Besetzer ebenfalls aufgefordert worden waren, ihr Lager abzubrechen.

Blick auf das Lobau-Protestcamp am Stadtrand von Wien am Freitag, 10. Dezember 2021.
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Protestcamp gegen Stadtstraße Aspern

Straße für geordnete Stadtentwicklung „unerlässlich“

Die Umweltschützer protestieren gegen den Bau der Verbindung zwischen der Seestadt und der Südosttangente. In dem Schreiben weist die Stadt darauf hin, dass das Projekt „im Rahmen eines Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahrens (UVP-Verfahren) bis hin zu den Höchstgerichten unter Einbindung zahlreicher Umweltorganisationen und dahingehend engagierter Menschen umfassend kritisch“ geprüft worden sei.

Straßenführung der Stadtstraße Aspern
MA 28

Die Stadtstraße sei für eine vorausschauend geplante und geordnete Stadtentwicklung im Nordosten Wiens unerlässlich, heißt es weiter – wobei vor allem auf die geplanten Wohnprojekte verwiesen wird. „Die Stadt Wien ist zudem zur Errichtung der Stadtstraße gezwungen, weil dies eine Auflage aus dem UVP-Bescheid zur Errichtung der Seestadt Nord ist“, versichert man. Die Aktivisten im Camp werden zudem darauf hingewiesen, dass auch die zuständige Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) sich für die Errichtung der Stadtstraße und der anschließenden Spange Aspern ausgesprochen hat.

Haftbar für „immens hohe Schäden“

Die Besetzer werden auch darüber informiert, dass der Allgemeinheit „durch dieses rechtswidrige Verhalten und die Verzögerung der Bauarbeiten immens hohe Schäden“ entstünden. Und weiter: "Wir weisen darauf hin, dass unsere Mandantin (die Stadt Wien, Anm.) verpflichtet ist, diese Schäden von den Verursachern einzufordern.“ Es bestehe nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung eine solidarische Haftung sämtlicher Beteiligter, heißt es.

Immerhin würde durch die Besetzung Schaden entstehen, da etwa auch die Baufirmen, die dort bereits aufgefahren sind, nicht tätig sein können, hieß es zum Schreiben auch von Seiten des Leiters der Wiener Straßenbau-Abteilung (MA 28), Thomas Keller. Dass man die Polizei bitte, einzuschreiten und den Bereich zu räumen, sei aber vorerst nicht geplant, bekräftigte er. Das hat am Donnerstag auch Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) betont. Die Stadt bedauerte auch, dass der „bestehende Dialog“ mit den Aktivisten keine Ergebnisse gebracht habe.

Besetzer zeigen sich unbeeindruckt und bleiben

Die Umweltaktivisten lassen sich aber vorerst vom Vorgehen der Stadt nicht beeindrucken. Man sei entschlossen zu bleiben, hieß es am Freitag. Auch sei der Zulauf wieder stärker geworden. „Wir sind bereit für alles, was von der Stadt kommt. Die Besetzungen bleiben, bis auch die Stadtautobahn abgesagt wird“, beteuerte Lena Schilling vom Jugendrat. „Die Absage der Lobauautobahn war schon immer nur eines unserer Ziele. Wir setzen uns für eine echte Mobilitätswende ein – und die wurde noch lange nicht eingeleitet“, bekräftigte Lucia Steinwender von der NGO System Change, not Climate Change.

Juristischer Streit um Baustellenbesetzung

Einen Anwaltsbrief bekommen nun die BaustellenbesetzerInnen der geplanten Stadtstraße: Die Stadt fordert die umgehende Räumung. Die Situation spitzt sich immer mehr zu.

Alternativen würden längst am Tisch liegen, zeigte man sich überzeugt, wobei vor allem auf den Öffi-Ausbau verwiesen wird. Das Festhalten an „fossilen Monsterprojekten“ wurde hingegen kritisiert. Zudem wird gewarnt, dass die Stadtstraße doch noch den Tunnel bringen könnte. „Erst wenn auch die Stadtautobahn begraben wird, ist die Lobau vor den Baggern sicher. Denn eine fertige Stadtautobahn würde nur als Argument benutzt werden, den Lobautunnel doch noch zu bauen“, warnte Florian Mayr von Extinction Rebellion.

Grüne: SPÖ muss klimafreundlicher werden

Kritik an der SPÖ kam vom Wiener Ex-Koalitionspartner, den Grünen. „Die SPÖ verbreitet Fake News: Ministerin Gewessler hat nur gesagt – wenn sich die Stadt Wien entschließt die Stadtstraße zu bauen, wird sie ihren Teil der Vereinbarung erfüllen. Die Verantwortung liegt also bei der Stadt“, hielt Mobilitätssprecher Kilian Stark fest. Noch sei Zeit umzudenken, die Alternativen würden seit Jahren auf dem Tisch liegen. „Die SPÖ muss jetzt aus dem Schmollwinkel raus und ihre Blockade gegen klimafreundliche Mobilität endlich aufgeben“, forderte Stark. „Die Stadtautobahn ‚Stadtstraße‘ ist ein Projekt der Stadt Wien. Dieses braucht jetzt, nach dem Stopp der Lobauautobahn, auch einen Klimacheck.“

Die Wiener FPÖ sieht dies anders. Deren Verkehrssprecher Anton Mahdalik begrüßte, dass die SPÖ „nach Wochen endlich auf FPÖ-Linie“ eingeschwenkt sei und Schadenersatzklagen gegen die arbeitsscheuen Profidemonstranten prüfe. Er hoffe, dass es sich nicht nur um leere Drohungen handle, sondern dass der Schaden von 22. Mio. Euro auch tatsächlich eingeklagt werde.