Blick auf das Lobau-Protestcamp am Stadtrand von Wien am Freitag, 10. Dezember 2021.
APA/GEORG HOCHMUTH
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Politik

Stadtstraße: Klagsdrohung gegen Teenager

Die Aufregung über die Besetzung der Baustelle Stadtstraße in der Donaustadt geht weiter. Die Stadt Wien drohte Gegnerinnen und Gegnern in Anwaltsbriefen Schadenersatzklagen an – wie jetzt bekannt wurde, auch Kindern und Jugendlichen.

Mittels Anwaltsschreiben forderte die Stadt Wien am Freitag zahlreiche Gegnerinnen und Gegner der Stadtstraße auf, die Demonstrationscamps in der Donaustadt sofort zu räumen. Ansonsten würden rechtliche Schritte eingeleitet. Zahlreiche NGOs verurteilten das als „demokratiefeindlich“ – mehr dazu in Stadtstraße: NGO-Kritik an Anwaltsschreiben (wien.ORF.at; 11.12.2021).

In dem Anwaltsschreiben – verfasst von der Kanzlei des ehemaligen SPÖ-Abgeordneten und Justizsprechers Hannes Jarolim – wird festgehalten, dass der Allgemeinheit durch das „rechtswidrige Verhalten und die Verzögerung der Bauarbeiten immens hoher Schaden“ entstehe. Die Stadt Wien sei verpflichtet, „diese Schäden von den Verursachern einzufordern“. Der Anwaltsbrief ging an zahlreiche Organisationen und Initiativen. Nun wurde bekannt, dass auch eine 13-Jährige und eine 14-Jährige eine Klagsdrohung erhielten.

Stadtstraße: Klagsdrohung gegen Teenager

Die Aufregung über die Besetzung der Baustelle Stadtstraße in der Donaustadt geht weiter. Die Stadt Wien drohte Gegnerinnen und Gegnern in Anwaltsbriefen Schadenersatzklagen an – wie jetzt bekannt wurde, auch Kindern und Jugendlichen.

Jarolim: „Als Sprecherinnen genannt“

Sie seien vom Jugendrat, der die Besetzung bei der Polizei mitangemeldet hatte, als Sprecherinnen genannt worden, sagte Jarolim zu Mittag gegenüber Radio Wien: „Es war sicherlich nicht die Absicht, 13- und 14-Jährige anzuschreiben. Das ist überhaupt kein Thema. Aber wenn die dann als Sprecher bekanntgegeben worden sind, ist es auf der anderen Seite wieder verständlich.“

Die Schülerinnen aus Mödling engagieren sich im Jugendrat, der die Besetzung mitorganisiert hatte. Laut der Klimaaktivistin Lena Schilling vom Jugendrat hätten sich die beiden aber großteils nur im legalen, angemeldeten Protestcamp aufgehalten und die besetzte Baustelle nur kurz besucht, berichtete die Tageszeitung „Kurier“ (Montag-Ausgabe). Die Mädchen seien „völlig aufgelöst“ gewesen. „Es darf nicht sein, dass ich Drohungen von der Stadt Wien bekomme, nur weil ich eine Zukunft haben will“, wird die betroffene 14-Jährige im „Falter“ zitiert.

„Die Stadtregierung schickt mir einen Brief, in dem mir mit Schadensersatz gedroht wird. Ich bin 13 Jahre alt. Der Bürgermeister versucht, Kindern Angst zu machen, um ein veraltetes Straßenprojekt durchzusetzen“, wird die zweite Betroffene in einer Mitteilung zitiert.

Stadt nennt keine konkrete Schadenssumme

Aus dem Büro von Verkehrsstadträtin Ulrike Sima (SPÖ) hieß es Montagmittag auf Radio-Wien-Anfrage, man bedauere, wenn auch Minderjährige betroffen seien. Aber auch sie fordere man dazu auf, die Besetzung zu beenden. Es gehe um den Bau Tausender finanzierbarer Wohnungen. Und es gebe keinen Zusammenhang zwischen Stadtstraße und Nationalpark.

Die Briefe seien an rund 50 Personen sowie Organisationen gegangen, man habe darin „breit über die Notwendigkeit der Stadtstraße informiert“ und hoffe nun auf Abzug der Besetzerinnen und Besetzer, heißt es aus dem Sima-Büro weiter. Konkrete Schadenssummen konnte die Stadt am Montag nicht nennen.

„Keine konkreten Pläne“ für Räumung

Die Besetzer, so klagte Sima gegenüber der APA, würden eher auf Provokation setzen – und dort zum Beispiel Ravepartys veranstalten. Eine zwangsweise Räumung, so bekräftigte sie einmal mehr, stehe aber nicht unmittelbar bevor: „Es gibt dazu keine konkreten Pläne.“ Man habe drei Monate lang auf Deeskalation gesetzt, beteuerte Sima. Auch das Schreiben sei eine „zurückhaltende Maßnahme“, befand die Ressortchefin:

Angeschrieben wurden laut Berichten weitere Einzelpersonen, die sich zwar öffentlich gegen das Projekt Stadtstraße ausgesprochen, eigenen Aussagen zufolge aber nie an der Besetzung oder Protestaktionen teilgenommen hatten. Die großteils jugendlichen Aktivisten haben das Baustellenareal bei der Abfahrt Südosttangente seit Ende August besetzt. Mit der Absage des Baus des Lobautunnels und der Nordostumfahrung durch Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) haben sie zuletzt einen Teilerfolg erzielt. Doch auch die Stadtstraße wollen sie verhindern.

Diese soll die Seestadt Aspern mit der Nordostumfahrung verbinden und soll laut der Stadt auf jeden Fall gebaut werden. Sie soll zwar mehrspurig errichtet werden, formal handelt es sich dabei aber um keine Autobahn, betont die Stadt Wien. Vielmehr stelle die 3,2 Kilometer lange Verbindung eine Gemeindestraße mit Höchsttempo 50 km/h dar.

SPÖ plädiert auf Notwendigkeit

„Bei allem Verständnis für Anliegen junger Menschen, aber hier geht es nicht um die Lobau, es geht um keine Autobahn, es geht schlichtweg um eine 3,2 km lange Gemeindestraße. Diese verbindet das neue Stadtentwicklungsgebiet Seestadt Aspern mit der Südosttangente. Die Straße ist behördlich in der Umweltverträglichkeitsprüfung als Auflage vorgeschrieben – ohne Stadtstraße kein Weiterbau in der Seestadt Nord, das sind die Fakten“, hielt Verkehrsausschussvorsitzender Erich Valentin (SPÖ) den NGOs bereits am Wochenende entgegen.