Chronik

Drogen im Darknet: Als Müsli verschickt

Angebaut in Österreich und im Darknet verkauft: Mindestens 100 Kilo Marihuana sind auf diese Weise vertrieben worden. Die Drogen wurden zum Teil auch als Müsli verschickt. Nun haben Wiener Drogenfahnder fünf Verdächtige festgenommen.

„George1580“ stand für Qualität und Zuverlässigkeit, wenn es um Lieferungen von österreichischem Marihuana im Darknet ging. Bis 8. Dezember: Da nahmen Wiener Drogenfahnder mit Unterstützung des Bundeskriminalamtes und des Einsatzkommandos Cobra fünf Verdächtige fest, die den Shop gleichen Namens im Darknet betrieben. An fünf Standorten in Ostösterreich hatten sie das Marihuana angebaut und mit der Post verschickt.

Fünf Plantagen sorgten ständig für Nachschub

„George1580“ war im Darknet so etwas wie eine lebende Legende, berichtete Nino Kirnbauer vom Wiener Landeskriminalamt. Das Marihuana zeichnete sich durch hohe Qualität aus. Es hatte durchschnittlich einen Reinheitsgehalt von 20 Prozent. Verkauft wurden ausschließlich Cannabisprodukte aus Eigenproduktion, die aus fünf Plantagen im Wiener und südniederösterreichischen Raum herrührte. 200 bis 400 Pflanzen pro Plantage gab es. Das Unternehmen war logistisch so aufgezogen, dass der Nachschub nie ausging. Alle acht bis neun Wochen wurde geerntet, dabei standen schon die Stecklinge für die nächste Pflanzung bereit.

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setzlinge der marihuana-plantage
LPD Wien
Pflanzen der marihuana-plantage
LPD Wien
Das „Gras“, das in Gefrierbeutel gesteckt wird
LPD Wien
Sichergestellte Drogen, Waffen und Geld
LPD Wien

Der Hauptverdächtige ist ein 34-jähriger Mann aus Wien-Floridsdorf. Er soll der Stratege sein, kümmerte sich um die Logistik in Sachen Pflanzung und Verpackung, bot die Drogen auf mehreren Marktplätzen im Darknet an und organisierte die Verpackung und den Vertrieb. Ihm halfen ein 39- und ein 34-jähriger österreichischer Staatsbürger, die beiden waren die Gärtner. Eine 33- und eine 48-jährige Österreicherin sorgten sich um die Finanzen – zum Beispiel Rechnungen zahlen oder Gewinne auf mehreren Konten im Ausland deponieren – und mieteten die Räume für die Plantagen an.

Keine Fingerabdrücke oder DNA auf Kuverts

Der Versand wurde im Laufe der Jahre immer weiter verfeinert: So wurde das Marihuana in aromaneutralen Briefchen verpackt, mit Crunch-Müsli und entsprechenden Etiketten versehen per Post verschickt. Die Sendungen warfen sie in immer wechselnde Briefkästen. Beim Verpacken ging die Gruppe ebenso professionell vor: „Wir fanden nie einen Fingerabdruck oder eine DNA-Spur auf den Kuverts“, schilderte Kirnbauer. Auch sorgte „George1580“ dafür, dass die Sendungen, die von einem Briefkasten verschickt wurden, unterschiedlich aussahen. In einem Briefkasten wurden so mitunter bis zu 40 Päckchen deponiert.

Kunden, die aus welchen Gründen auch immer die bestellte Lieferung nicht erhielten, wurde eine Haftung angeboten. „Die Täter hatten höchstes Interesse daran, dass sie ausnahmslos positive Bewertungen hatten“, sagte Kirnbauer. Über die Bewertungen konnten die Ermittler den Dealern auch zumindest rund 9.000 Transaktionen seit 2016 nachweisen, bei denen mindestens mehr als 100 Kilogramm Cannabis mit einem Straßenverkaufswert von mehr als einer Million Euro die Besitzer wechselte. Die Fahnder gehen aber von einer weit höheren Dunkelziffer aus.

Aktiv war die Organisation jedenfalls seit 2011. Pro Woche versendeten die Täter nach den Schätzungen der Polizei ein halbes bis ein Kilo Marihuana.

Ware wurde nur mit Bitcoins bezahlt

Bei Stammabnehmern deponierten sie die Ware manchmal auch in sicheren Verstecken, ließen sich bezahlen und gaben den Kunden dann via Kryptomails die Koordinaten. Apropos Bezahlung: Diese erfolgte ausschließlich über Kryptowährung – Bitcoins. Dabei standen sie oft stundenlang vor Bitcoin-Automaten, um sich die Bitcoins in Euro auszahlen zu lassen. Der Erlös wurde auf ausländischen Konten deponiert.

Die Ermittler hatten die Gruppe schon länger im Visier. Am 8. Dezember warteten die Ermittler eine Auslieferungstour ab, bei denen die mutmaßlichen Täter zur Tarnung auch den fünfjährigen Sohn eines Mitglieds der Gruppe mitnahmen. Die Razzia erfolgte an der Wohnadresse des Hauptverdächtigen in Floridsdorf sowie an weiteren Standorten in Wien und in Niederösterreich, unter anderem im Bezirk Mödling.

Dabei stellten sie mehrere Kilo Cannabis, zwei Aufzuchtanlagen, einen höheren fünfstelligen Bargeldbetrag, einen neuen ausbezahlten 4er-BMW, drei legal besessene Faustfeuerwaffen, eine Kalaschnikow sowie weitere verbotene Waffen wie Schlagringe, Messer und Totschläger sicher.

Sozialhilfeempfänger und teure Autos

Die drei Männer gingen in Untersuchungshaft, die beiden Frauen wurden auf freiem Fuß angezeigt. Ausbezahlte Eigentumswohnungen und Autos des höherpreisigen Segments hätten sich die Mitglieder der Bande wohl ohne die illegalen Geschäfte nicht leisten können. Der Hauptverdächtige arbeitete auf geringfügiger Basis in der Gastronomie, zwei weitere Verdächtige empfingen Sozialhilfe.

„Wir haben den Kaufvertrag für das Auto und praktisch daneben den Lohnsteuerausgleich gefunden. Wenn der Kaufvertrag für das Auto etwa 20-mal so hoch wie der Lohnsteuerausgleich ist, kann man davon ausgehen, dass da etwas nicht passt“, schilderten die Ermittler. Gesprächig waren die Verdächtigen bisher kaum. Sie dürften darauf warten, was ihnen an Beweisen vorgelegt wird.

Daniel Lichtenegger, Leiter des Büros für Suchtmittelkriminalität im Bundeskriminalamt, sagte, Drogenhandel über das Darknet und der Versand per Post seien generell ein großes Thema für die heimischen Fahnder. Allein in der Postzentralverteilstelle in Wien-Liesing werden pro Jahr rund 3.000 Sendungen mit Drogen aus dem Verkehr gezogen. Lichtenegger warnte davor, dass sich Drogengeschäfte auch immer mehr auf Messengerdienste wie Telegram und Snapchat verlagern.