Austria Center Vienna
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Chronik

Impfbetrug: Polizei ermittelt seit Mai

Im Fall des Betrugs mit gefälschten Impfpässen im Austria Center ermittelt die Polizei offenbar bereits seit Mai. Es dürfte mehr Tatverdächtige geben. Auch jene, die sich eine Impfung erkauft haben, müssen mit einem Strafverfahren rechnen.

Die Landespolizeidirektion ermittelt bereits seit dem Frühjahr gegen mehrere Verdächtigte, die beim Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs (ASBÖ) beschäftigt waren, wegen schweren Betrugs, betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs und Urkundenfälschung.

Auch Impfgegner unter den Verdächtigen

Wie aus dem Ermittlungsakt hervorgeht, der in Teilen der APA vorliegt, steht der Verdacht auf systematische betrügerische Machenschaften im Raum. Es dürfte demzufolge deutlich mehr als zwei Verdächtige geben, die die Polizei am Mittwoch, bestätigt hatte. Unter ihnen befinden sich auch Impfgegner, die zunächst sich selbst und ihren Angehörigen bzw. Freunden einen Impfpass verschafft haben sollen, ohne dass ihnen je eine CoV-Impfung verabreicht worden wäre.

Der Leiter der Impfstraße erlangte Ende Mai von den Vorgängen Kenntnis, er verständigte seine Vorgesetzten, worauf die Polizei eingeschaltet wurde. Operiert wurde mit Blankoimpfpässen, die offenbar stapelweise an Arbeitsplätzen in der Impfstraße herumlagen und die spielend leicht zu entwenden waren. Auf diesen wurden dann Chargenkleber der CoV-Impfstoffe angebracht. Danach wurden die gelben Pässe ausgefüllt und abgestempelt, die vermeintliche Impfung anschließend ins elektronische System eingetragen.

Chat: „Es hat funktioniert, du bist im System“

Belastet werden die Verdächtigen von Chatnachrichten, die sich auf ihren Handys fanden. „Es hat funktioniert, du bist im System“, teilte etwa ein 24-Jähriger einer Kollegin mit, nachdem sie ohne Impfung einen Impfnachweis erhalten hatte. Zunächst spielten finanzielle Beweggründe offenbar keine bzw. keine gewichtige Rolle.

Die Impfung sei „Blödsinn“, meinte eine Verdächtige, nachdem sie aufgeflogen und mit der Sachlage konfrontiert worden war. Sie habe sich und ihrer Familie das Reisen wieder möglich machen wollen, führte sie ins Treffen. Rasch wurde den mutmaßlich Tatbeteiligten aber klar, „dass dieses Geschäft illegal ist, man damit sehr viel Geld verdienen kann“, wie eine 19 Jahre alte Verdächtige eine Kollegin wissen ließ, die sie zum Mitmachen überreden wollte. Die Angesprochene meldete jedoch den Vorfall.

In welchem Ausmaß Geld geflossen ist, ist ebenso Gegenstand der laufenden Ermittlungen wie die Frage, wie viele Tatbeteiligte es insgesamt unter den Mitarbeitern in der Impfstraße im Austria Center Vienna (ACV) gegeben hat. Die diesbezüglichen Erhebungen dürften noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Auch jene Personen, die sich eine Impfung erkauft haben, müssen mit einem Strafverfahren rechnen.

Samariterbund geht von „unter 100 Fällen“ aus

Der Arbeiter-Samariter-Bund hatte zuletzt versichert, man habe die internen Abläufe angepasst und die Sicherheitsmaßnahmen verschärft, um Manipulationen beim Impfen gegen Covid-19 entgegenzuwirken.

Der ASBÖ geht derzeit „von unter 100, aber mehreren Dutzend Fällen“ aus. Mitarbeiter, gegen die sich die Verdachtslage erhärtet hatte, wurden fristlos entlassen. Zwei von ihnen werden vom Wiener Rechtsanwalt Nikolaus Rast vertreten. „Das stimmt alles nicht“, wies Rast am Donnerstag auf APA-Anfrage die Vorwürfe gegen seine Mandanten zurück.

Drei unabhängige Verfahren

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, Thomas Vecsey, bestätigte das Verfahren vom Mai. Es werde noch ermittelt, sagte er, derzeit stünden seinen Informationen zufolge vier Verdächtige im Zentrum der Erhebungen.

Polizeisprecherin Barbara Gass sagte, es gehe in Zusammenhang mit dem ACV um drei voneinander unabhängige Verfahren. Eines davon sei die Ermittlung in dem seit Mai laufenden Verfahren um die Blankoimpfpässe. Gass sprach in dem Zusammenhang ebenfalls von vier Verdächtigen. Ein zweiter Fall sei im September aufgeflogen, bei dem eine Mitarbeiterin im Austria Center Vienna einen Kollegen gebeten hatte, in ihren Impfpass ohne Stich den Stempel einzutragen.

Der dritte sei eben im Dezember bekanntgeworden, und hier stünden die Ermittlungen erst am Anfang. Es gehe dabei um zumindest eine weitere Mitarbeiterin, die mehrere Namen im Gesundheitssystem eingetragen haben soll. Gegen diese Verdächtige wird wegen Vorbereitung der Fälschung öffentlicher Urkunden oder Beglaubigungszeichen (Paragraf 227 StGB) ermittelt, so Gass. Der Polizeisprecherin zufolge sei den Ermittlern derzeit eine Zahl der Fälle im unteren zweistelligen Bereich bekannt.